Laudatio

an Pfarrer Joachim Ritzkowsky

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Wir finden es sympathisch, dass es Menschen gibt, die sich nicht verbiegen lassen…

Laudatio auf Joachim Ritzkowsky von Roland Otte

Ich begrüße Sie ganz herzlich im Namen der Humanistischen Union. Wir möchten heute Joachim Ritzkowsky den Ingeborg-Drewitz-Preis verleihen.

Die Humanistische Union ist vielleicht nicht allen bekannt. Erlauben Sie, dass ich daher kurz ein paar Worte zu unserer Organisation und zu unserem Preis sage. Die Humanistische Union ist die älteste Bürgerrechtsorganisation der Bundesrepublik. Sie wurde vor 40 Jahren in München gegründet und setzt sich politisch für den Schutz und Ausbau der Grundrechte ein. Unser Eintreten für Trennung von Staat und Kirche hat uns manchmal in Konflikt mit Repräsentanten der Kirchen gebracht. Daher mögen sich manche wundern, dass wir hier heute gleichzeitig Gast und Gastgeberin in einer Kirche sind.

So verwunderlich ist es aber nicht. Immer wieder gibt es Überschneidungspunkte, immer wieder arbeiten wir mit Kirchenleuten zusammen – besonders dann, wenn es um die Rechte von Ausgegrenzten geht. Gerade in Berlin lässt sich die Überschneidung auch an Namen wie Helmut Gollwitzer festmachen. Der Theologe war Beiratsmitglied der Humanistischen Union und – auch das sollte ich hier erwähnen – Doktorvater von Joachim Ritzkowsky. Vor allem lag Herrn Ritzkowsky und auch uns daran, dass auch diejenigen von Ihnen an unserer Feier teilnehmen können, die ihn aus der Wärmestube kennen. Wir freuen uns, dass so viele von Ihnen gekommen sind.

Auf Pfarrer Ritzkowsky wurden wir zuerst vor ein paar Jahren aufmerksam, als wir zusammen mit anderen Organisationen gegen die Verschärfung des Berliner Polizeigesetzes protestierten. Die Gesetzesänderung erweiterte die Möglichkeiten der Polizei, Menschen an öffentlichen Orten zu kontrollieren und Platzverweise auszusprechen. Unser Aufruf wurde auch von Pfarrer Ritzkowsky und der AG Leben mit Obdachlosen unterstützt. Die AG hat aber noch viel mehr getan: Sie hat Fälle dokumentiert, in denen Obdachlose, auch bei eisiger Kälte, von der Polizei am Stadtrand ausgesetzt wurden. Diese Dokumentation hat dazu beigetragen, dass immerhin der Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses empfohlen hat, diese Verbringungspraxis zu beenden.

Danach haben wir immer wieder und immer mehr erfahren über Pfarrer Ritzkowsky, über die von ihm in der Heilig-Kreuz-Kirche eingerichtete Wärmestube, die von ihm mitgegründete AG Leben mit Obdachlosen. Seit Jahren setzt er sich in diesem Rahmen für Obdachlose ein. Ganz persönlich, aber auch politisch. Er nimmt Obdachlose als Menschen an, behandelt sie nicht als Objekte, auch nicht als Objekte einer Mildtätigkeit, die schnell ‚von oben herab‘ gegeben wird. Er insistiert auf die Rechte von Obdachlosen und setzt sich dafür ein, dass institutionelle Mängel behoben werden, die eine Verwirklichung ihrer Ansprüche oft verhindern.

Das Engagement von Herrn Ritzkowsky ist uns aufgefallen, und dafür wollen wir uns bei ihm auf unsere Weise bedanken. Seit 1987 verleiht der Berliner Landesverband der Humanistischen Union den Ingeborg-Drewitz-Preis an Personen, die sich in besonderer Weise für die Menschenwürde in unserer Stadt eingesetzt haben.

Mit dem Preis möchten wir auch an das politische Wirken von Ingeborg Drewitz erinnern. Die Berliner Schriftstellerin war eine ständige Unterstützerin von Menschen, die sich gegen Unrecht in dieser Stadt einsetzen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1986 engagierte sie sich stetig, fast atemlos für Menschen, die aus persönlichen und politischen Gründen in Not geraten sind.

Die Entscheidung, die Arbeit von Herrn Ritzkowsky zu würdigen, war naheliegend.

Wer Pfarrer Ritzkowsky kennt, ahnt aber vielleicht schon, dass es gar nicht so einfach ist, ihm einen Preis zu verleihen. Pfarrer Ritzkowsky will eigentlich gar keinen Rummel um seine Person, warnte mich schon Frau Pförtner. Er legt auch Wert darauf, dass nicht seine Obdachlosenarbeit gewürdigt wird, höchstens sein Engagement in der Obdachlosenarbeit, denn sie gehört ja nicht ihm allein.

Wir fanden, dass dies alles ihn um so mehr zu einem geeigneten Träger unseres Preises macht. Dass Herr Ritzkowsky sich nicht fotografieren oder filmen lässt, mindert zwar unsere Chancen, den Preis bekannt zu machen, aber wir finden es sympathisch, dass es Menschen gibt, die sich nicht verbiegen lassen, die in ihrem Engagement für die Menschenrechte auch einmal anecken und unbequem sind. Wir respektieren daher diesen Wunsch und möchten die anwesenden Journalisten ebenfalls um Verständnis bitten.

Keine Bilder, kein Image – „Inhalte!“, lautete eine Forderung der 68er, und vielleicht liege ich nicht ganz falsch, wenn ich meine, ein Echo dieser Position in Joachim Ritzkowskys Skepsis gegenüber den Bildern wiederzuerkennen.

Was sind also die Inhalte?

Es geht um den ‚Skandal der Obdachlosigkeit‘. Es geht darum, dass immer wieder nicht die Armut bekämpft wird, sondern die Armen. Es geht um die Verdrängung von Obdachlosen aus dem öffentlichen Raum. Und es geht schließlich darum, dass Obdachlose Opfer von Gewalt werden. In der Statistik der tödlichen Angriffe rechter Schläger stehen Obdachlose als Opfer an erster Stelle.

Dafür, dass Sie, Herr Ritzkowsky, immer wieder auf diesen Skandal hinweisen; dafür, dass es Ihnen um nicht um das Image geht, sondern um die Sache – oder besser: um die Menschen – möchten wir Ihnen den Ingeborg-Drewitz-Preis verleihen.

Unser Preis ist nicht materiell, sondern ideell – wie auch das Engagement der Preisträger und der Namensgeberin des Preises. Der Ingeborg-Drewitz-Preis ist auch kein fester Gegenstand, kein Orden, kein glänzender Pokal, keine „Goldene Inge“. Dennoch möchten wir unseren Preisträgern zur Erinnerung etwas schenken und überlegen uns jedes Mal neu, was wir passenderweise überreichen könnten. Dieses Mal ist es ein Plakat des Heidelberger Grafikers Klaus Staeck, auf dem er sich auf seine Weise mit dem Thema Wohnungsnot auseinandersetzt: Albrecht Düreres Zeichnung seiner Mutter kombiniert Staeck mit der Aufschrift „Würden sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ Das Plakat hat uns Klaus Staeck (der übrigens auch der Humanistischen Union angehört) für die Preisverleihung zur Verfügung gestellt und signiert.

Mit dem Preis, lieber Herr Ritzkowsky, möchten wir uns einfach ganz herzlich bei Ihnen für Ihr Engagement bedanken.

Roland Otte
Humanistische Union

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