Bericht

Ingebor­g-Dre­witz-­Preis 2004 an das Weglaufhaus „Villa Stöckle“

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Bericht von der Preis­ver­lei­hung am 12. Dezember 2004

 

Ein ungewöhnlicher Preis für ein außergewöhnliches Projekt:
Am 12. Dezember 2004 erhielt das „Weglaufhaus – Villa Stöckle“ in Berlin den Ingeborg-Drewitz-Preis. Die Berliner HU würdigte damit auf ihre Weise das Engagement des antipsychiatrisch orientierten Projektes für die Selbstbestimmung. Das Weglaufhaus bietet Menschen Zuflucht vor Psychiatrisierung und Obdachlosigkeit und ermöglicht es ihnen, ihr Leben wieder in eigene Hände zu nehmen.

Zur Feier im Haus der Demokratie und Menschenrechte kamen etwa 80 Menschen, die dem Weglaufhaus in unterschiedlicher Weise verbunden sind oder waren. Manche gehörten zur Gründergeneration und sahen sich jetzt nach längerer Zeit wieder. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner sandten Grußworte. Ihnen entging ein Programm, das so vielfältig war wie die Gäste: Umrahmt von Gesang mit Laute mischten sich akustische Improvisationen, Reden, Gedichte, Erzählungen und schließlich die Übergabe des Preises.

Eigentlich hat der Ingeborg-Drewitz-Preis gar keine Gestalt, er ist immateriell wie das politische Engagement der Berliner Schriftstellerin, deren Namen er trägt. Um aber doch etwas überreichen zu können, gab es – passend zur Jahrszeit – ein selbstgebackenes Knusperhaus – sozusagen ein Aufess-Haus für das ganze Weglaufhaus. Darüber freute sich wohl kaum jemand so sehr wie Ludger Bruckmann, der seit Anbeginn beim Weglaufhaus dabei war und den Preis stellvertretend für alle entgegennahm. Er berichtete von einer persönlichen Begegnung mit Ingeborg Drewitz, die er bei einer Veranstaltung um ihre Unterschrift unter einen psychiatriekritischen Aufruf gebeten hatte. Er musste nicht lange bitten.

Bruckmanns „Verrücktheit“ und damit verbundene Einweisung hatte übrigens darin bestanden, sich in Essen einem Polizeiwagen entgegenzustellen und den Polizisten die Bergpredigt zu halten. Laudator Peter Lehmann wies im Hinblick auf kirchenferne Mitglieder der HU darauf hin, dass es ihm vermutlich nicht anders ergangen wäre, wenn er die Erklärung der Menschenrechte vorgetragen hätte…

 

Nina Helm / Roland Otte
(Beitrag aus den
Mitteilungen der Humanistischen Union,
Nummer 188 vom Februar 2005)

 

Fotos:
Sven Lüders

 

 

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