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Stellung­nahme der Bürger­rechts­or­ga­ni­sa­tion Humanis­ti­sche Union e.V.

26. August 2010

Landesverband Berlin-Brandenburg

zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU

Siebentes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes

(Drs. 5/1442)

1. Die Humanistische Union begrüßt das Anliegen des Gesetzentwurfs der CDU, eine namentliche Kennzeichnung von Polizeivollzugsbeamten einzuführen, außerordentlich.

Die Kennzeichnung wird von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen seit Jahrzehnten gefordert, von der Humanistischen Union gab es hierzu bereits 1968 Vorschläge zur

Gesetzgebung. In den letzten Jahren beobachten wir eine verstärkte Diskussion über entsprechende Regelungen in mehreren Bundesländern. Wir freuen uns, dass sich im Land Brandenburg auf Initiative der CDU eine parlamentarische Mehrheit für dieses Anliegen und eine entsprechende Änderung von § 9 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG) abzeichnet.

Völlig zu Recht stellt der Gesetzentwurf in seiner Begründung fest, dass eine namentliche Kennzeichnung geeignet ist, Transparenz und Bürgernähe der Polizei zu stärken. Zudem stellt sie sicher, dass polizeiliches Handeln individuell zurechenbar und kontrollierbar ist.

Damit wird gewährleistet, dass Vorwürfe rechtswidrigen Handelns einzelner Polizeibeamter rechtsstaatlich überprüfbar sind.

Die bundesweite Erfahrung hat gezeigt, dass die mangelhafte Identifizierbarkeit von Polizeibeamten den effektiven Rechtsschutz erheblich beeinträchtigen kann. Die Bürgerinnen und Bürger müssen aber darauf vertrauen können, dass Straftaten im Amt aufgeklärt werden und dass entsprechende Ermittlungen und Verfahren zumindest nicht daran scheitern, dass Täter nicht identifiziert werden können. Die namentliche Kennzeichnung ist geeignet, diese Lücke zu schließen. Dies ist letztlich auch im Interesse aller Polizistinnen und Polizisten, die sich rechtstreu verhalten bzw. die zu Unrecht

verdächtigt werden.

Soweit der vorliegende Gesetzentwurf Ausnahmen vom Grundsatz der namentlichen Kennzeichnung vorsieht, sieht die Humanistische Union allerdings noch Verbesserungsbedarf.

2. Zu einzelnen Bestim­mungen des Gesetz­ent­wurfs:

Ausnahme für geschlos­sene Einheiten (§ 9 Abs. 1 Satz 2)

Der Gesetzentwurf schränkt die grundsätzliche Verpflichtung aller

Polizeivollzugsbediensteten, bei Amtshandlungen ein deutlich sichtbares Namensschild zu tragen, dahin gehend ein, dass „beim Einsatz geschlossener Einheiten“ das Namensschild „durch eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung ersetzt

werden“ kann. Dies soll laut Begründung durch eine leicht merkbare Buchstaben-Nummern-Kombination erfolgen.

Richtig ist, dass es gerade bei Einsätzen auf Massen- und Großveranstaltungen zu Vorwürfen unverhältnismäßigen polizeilichen Handelns kommt und dass gerade hier eine nachträgliche Identifikationsmöglichkeit angezeigt ist. Genau diesen Zweck erfüllt jedoch auch der Name an der Uniform, der auch noch einprägsamer sein dürfte als eine Buchstaben-Nummern-Kombination. Letztere wäre allerdings immer noch einer schlecht merkbaren Dienstnummer vorzuziehen.

Ausnahme bei „Beein­träch­ti­gung“ (§ 9 Abs. 3)

Gravierender als die Ausnahme beim Einsatz geschlossener Einheiten ist die im Gesetzentwurf vorgesehene generelle Ausnahmeklausel von der namentlichen Kennzeichnung, „soweit der Zweck der Amtshandlung dadurch beeinträchtigt wird“.

Diese Einschränkung ist aus dem bisherigen § 9 BbgPolG übernommen, der sich allerdings nur auf die Legitimationspflicht (Ausweisungspflicht) der Polizeivollzugsbediensteten bezog.

Die Formulierung dieser Ausnahme ist unbestimmt und sehr weit. Unter welchen Voraussetzungen eine wie auch immer geartete Beeinträchtigung angenommen (oder behauptet) werden kann, bleibt unklar.

Die Humanistische Union empfiehlt daher, eine engere Formulierung zu wählen, z.B. „soweit dadurch der Zweck der Maßnahme nicht erreicht werden kann“.

Eine andere Möglichkeit wäre, im Gesetzeswortlaut (ähnlich wie in der Begründung) auf die im konkreten Einzelfall festgestellte Gefährdung eines Polizeivollzugsbediensteten abzustellen.

In jedem Fall sollte sicher gestellt werden, dass die Ausnahme nicht zu einem völligen Verzicht auf jegliche individuelle Kennzeichnung führt, sondern allenfalls auf die namentliche. Zumindest wäre in Abs. 3 eine Ersatzregelung zu treffen, wie sie in Abs. 1 für die geschlossenen Einheiten vorgesehen ist. Ohne diese Änderung ist zu befürchten, dass die Ausnahme zur Regel wird und der Zweck der Gesetzesänderung verfehlt wird.

3. Zu Einwänden geKenn­zeich­nungs­pflicht

3. Zu Einwänden gegenüber der Kennzeichnungspflicht

Der Kennzeichnungspflicht wird von Polizeigewerkschaften entgegengehalten, es handele sich dabei um ein „pauschales Misstrauensvotum“ gegenüber der Polizei. Dieser Einwand

verkennt, dass die Kontrolle staatlichen Handelns zu den Grundpfeilern des demokratischen Rechtsstaates gehört. Wenn durch eine Kennzeichnung gewährleistet wird, dass polizeiliches Handeln auch in jedem Einzelfall individuell zurechenbar ist, stärkt dies das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Selbstverständlich ist die Polizei im gesetzlichen Rahmen zur Ausübung unmittelbaren Zwangs befugt. Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols bezieht ihre Legitimation aber auch gerade daraus, dass sie demokratisch beschlossenen gesetzlichen Regeln und Grenzen unterliegt. Es muss daher auch im Interesse der Polizei selbst liegen, dass diese Grenzen eingehalten werden und dass Verstöße durch einzelne Vollzugsbeamte wirksam geahndet werden können.

Die Humanistische Union verkennt nicht, dass Polizeibeamte immer wieder von Gewalt bedroht sind. Für eine höhere Gefährdung durch eine individuelle Kennzeichnung sind aber keine empirischen Belege bekannt. Die Erfahrung aus anderen Ländern, die Namensschilder für alle Polizistinnen und Polizisten eingeführt haben, spricht gegen die Annahme einer ansteigenden Gefährdung. Zudem sei darauf verwiesen, dass in Gerichtsverfahren auch hierzulande bereits jetzt die Namen der Polizeibeamten bekannt werden. Erinnert sei zudem daran, dass auch Richter und Staatsanwälte damit leben

müssen und können, dass sie Straftätern namentlich bekannt sind.

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist der Gefährdungseinwand, wenn er sogar gegenüber einer nichtnamentlichen Kennzeichnung vorgebracht wird.

4. Für eine rasche gesetzliche Regelung

Wenn eine Kennzeichnungspflicht politisch gewollt ist, empfiehlt die Humanistische Union Berlin-Brandenburg, diese umgehend gesetzlich zu beschließen. Das Beispiel des Landes Berlin zeigt, dass die Einführung der Pflicht auf untergesetzlicher Ebene eine Vertagung auf unbestimmte Zeit bedeutet. Obwohl die individuelle Kennzeichnung der Polizei von einer breiten Mehrheit der im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, vom Berliner Senat und vom Polizeipräsidenten seit Jahren befürwortet wird, scheitert eine

entsprechende Dienstanweisung bisher an der Obstruktion der Polizeigewerkschaften bzw. der Personalräte. Das Mitbestimmungsverfahren zieht sich endlos hin und es zeichnet sich

keine Einigung ab. Die vorgebrachten Einwände sind seit Jahrzehnten bekannt und halten einer nüchternen Prüfung nicht stand. Daher ist es in beiden Bundesländern an der Zeit für eine demokratische gesetzgeberische Entscheidung im Sinne einer modernen, bürgerfreundlichen und rechtsstaatlich verantwortlichen Polizei.

Wir bitten daher die Mitglieder des Landtags Brandenburg, den vorliegenden Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zwar hinsichtlich seiner  Ausnahmebestimmungen noch nachzubessern, dem grundsätzlichen Anliegen aber zu folgen und zeitnah eine entsprechende Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes zu beschließen.

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