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Quartals­be­richt Nr. 165 (März 1999)

31. März 1999

Bericht des Landesverbandes Berlin für die Mitteilungen Nr. 165 (März 1998)

Bei der Mitgliederversammlung des Landesverbandes am 2. Dezember resümierte die scheidende Vorsitzende Ingeborg Rürup die Arbeit der vergangenen der letzten Jahre, in denen wir 11 Veranstaltungen mit einer Themenpalette von Bioethik, Schule und Religion bis hin zur öffentlichen Sicherheit organisiert haben. Neben den zahlreichen Kooperationen mit anderen Initiativen und Vereinen haben wir eine Reihe von Anliegen durch Petitionen, Protest- und Leserbriefe vertreten. Zum neuen Vorsitzenden wurde Roland Otte gewählt, der Ingeborg Rürup für ihr langjähriges Engagement als Vorsitzende dankte und seine Freude darüber ausdrückte, daß sie weiterhin im Landesvorstand aktiv sein will. Als weitere Mitglieder des Landesvorstands wurden Sigrid Kleinschmidt, Ingeborg und Katharina Rürup, Thymian Bussemer, Martin Kutscha, Dan Richter, Björn Scheer und Andreas Schmidt gewählt. Künftige thematische Schwerpunkte werden vor allem die Themen Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit, Rechte von MigrantInnen und Religionsunterricht sein.
Zum Schluß der Versammlung boten Anna Elmiger und Ingeborg Rürup einen Rückblick auf die letzten 20 Jahre HU-Arbeit in Berlin, in denen sie die Geschicke des Landesverbandes leiteten. Anhand der ausgegrabenen Flugblätter und Plakate konnten wir verfolgen, mit welcher Kontinuität bestimmte Themen präsent sind und wie sich die Aktionsformen geändert haben.


Bei unserer Podiumsdiskussion zum Anti-Diskriminierungs-Gesetz stellte Günter Dworek (Bundestagsfraktion der Grünen) den Bonner Diskussionsstand bezüglich dieses Koalitionsvorhabens dar. Unter der Moderation von Ingrid Lottenburger diskutierten außerdem Reza Rassouli (Anti-Diskriminierungs-Büro), Anja Kofbinger (International Lesbian and Gay Association) und Martin Marquardt (Berliner Behindertenverband) über Möglichkeiten und Grenzen eines Gesetzes zum Schutz von Minderheiten.


Am 17.12. gab es auf unsere Einladung einen Runden Tisch zur Einführung von islamischem Religionsunterricht. Nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes, das der Islamischen Föderation das Recht auf Erteilung von Religionsunterricht beschied, stellt sich für Berlin noch dringlicher die Frage, wie diese Angebote künftig organisiert werden sollen. Bisher sind alle Formen des Religions- und Weltanschauungsunterrichtes für Berliner SchülerInnen fakultativ. An dem Gespräch nahmen neben VertreterInnen verschiedener islamischer und türkischer Gemeinschaften in Berlin auch VertreterInnen der bisherigen Anbieter von Religionsunterricht, des Senats und verschiedener wissenschaftlicher und kultureller Einrichtungen teil. Inzwischen überlegt der Landesverband Berlin, einen eigenen Vorschlag zu erarbeiten, der die Trennung von Staat und Kirchen beachtet und zugleich eine stärkere Thematisierung religiöser und ethischer Fragen im Unterricht erlaubt, bei der die verschiedenen Religionsgemeinschaften gleichberechtigt behandelt werden. Für den 10. März ist dazu ein Arbeitstreffen des Landesvorstandes angesetzt, auf dem ein solches Konzept besprochen werden soll.


Mit Briefen an das Präsidium und verschiedene Ausschüsse des Bundestages haben wir uns gegen die Verbannmeilung des Berliner Stadtzentrums eingesetzt. Recht gute Aussichten hat inzwischen eine Liberalisierung der Regelung des Parlamentsschutzes, die jedoch weiterhin eine unzumutbare Einschränkung der Bürgerrechte im Umfeld des Reichstagsgebäudes befürchten läßt.


Für eine generelle Zulassung des Verkaufs von Obdachlosenzeitungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs haben wir uns in Briefen an die Deutsche Bahn, die S-Bahn und die Berliner Verkehrsbetriebe eingesetzt. Anlaß war ein Prozeß gegen einen Obdachlosen, der von der Deutschen Bahn wegen des Verkaufs von Obdachlosenzeitungen im Bahnhof Zoo mit einer Klage wegen „Hausfriedensbruchs“ überzogen worden war. Angesichts des öffentlichen Protests zog die Deutsche Bahn AG ihren Strafantrag zurück.


Mit Briefen und Telefonaten haben wir eine Aktion der International Lesbian and Gay Association (ILGA) gegen die Nominierung Walter Schwimmers zum Generalsekretär des Europarates unterstützt. Er hatte als konservativer Abgeordneter im österreichischen Parlament wiederholt gegen den Abbau diskriminierender Regelungen für Lesben und Schwule gestimmt, die z.T. gegen bestehende europäische Menschenrechtsnormen verstoßen.


Nach der CDU-Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft haben wir uns mit dem Berliner Anti-Diskriminierungs-Büro um gemeinsame Gegenaktionen bemüht. Der Landesverband will noch ein eigenes Flugblatt für die doppelte Staatsbürgerschaft verteilen.


Aus Anlaß der tödlichen Hetzjagd in Guben hat der Landesvorstand einen Brief an den Gubener Bürgermeister geschrieben, in dem er gebeten wird, sich für eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge einzusetzen. Außerdem wird er aufgefordert, sich ähnlich wie der Lübecker Bürgermeister nach dem dortigen Brandanschlag öffentlich für ein Bleiberecht der Überlebenden einzusetzen.


In einer Presseerklärung zu den Reaktionen auf die PKK-Aktionen nach der Verhaftung Abdulah Öcalans hat der Landesverband zur Besonnenheit aufgerufen und vor einer Verschärfung ausländerrechtlicher Bestimmungen gewarnt. Außerdem unterstützt die Berliner HU einen Aufruf des Berliner Flüchtlingsrates, der sich angesichts des gegen seine Abschiebung hungerstreikenden Kurden Recep Öz für einen bundesweiten Abschiebestop von Kurden in die Türkei einsetzt.


Das von uns unterstützte Volksbegehren für Mehr Demokratie in Berlin war zunächst erfolgreich: Mit 37.426 Unterschriften hat es die erforderliche Zahl von 25.000 UnterstützerInnen deutlich überboten. Mit dem Volksbegehren sollen die Hürden für direkte Bürgerbeteiligung gesenkt werden. Da verfassungsändernde Volksbegehren laut Berliner Verfassung nicht zulässig sind, sieht der Gesetzentwurf von Mehr Demokratie u.a. vor, den Senat zu einer jährlichen Veröffentlichung der Forderungen in Zeitungsanzeigen zu verpflichten. Diese Intention hat der Berliner Senat nun zum Anlaß genommen, um das Begehren als unzulässig zurückzuweisen. Die Initiative Mehr Demokratie will gegen den Entscheid vor dem Berliner Verfassungsgericht klagen.


Die Große Koalition in Berlin plant eine Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG), mit der „lageabhängig“ verdachtsunabhängige Personenkontrollen und „vorbeugend“ Aufenthaltsverbote möglich werden sollen. Gemeinsam mit anderen Bürgerrechtsorganisationen hat der Landesverband eine Kampagne gegen die ASOG-Novelle gestartet.


An der Aktion „50 Jahre Grundgesetz – Die Bürgergesellschaft lebt“ beteiligen wir uns mit einer Ringvorlesung an der Humboldt-Universität. Ab dem 20. 04. werden jeweils dienstags um 18.15 Uhr politisch engagierte WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Fachrichtungen über das Verhältnis von Verfassung und Verfassungswirklichkeit sprechen. Außerdem werden wir bei der Abschlußveranstaltung der „Woche der Bürgergesellschaft“ am 22.05. im Haus der Kulturen der Welt mit einem Stand vertreten sein.

 

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