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Quartals­be­richt Nr. 161 (März 1998)

31. März 1998

Bericht des Landesverbandes Berlin für die Mitteilungen Nr. 161 (März 1998)

Am 28. Januar 1998 fand unter Beteiligung der HU Berlin die Beratung und Urteilsverkündung des „Bürgerrechtsgerichtshofes“ (BÜGH) zum Großen Lauschangriff statt. Dabei haben die amtierenden „RichterInnen“ Renate Künast (Abgeordnetenhaus), Ellis Huber (Präsident der Ärztekammer), Friedrich Küppersbusch (Journalist), Manfred Such (MdB Bündnis 90/Die Grünen) und Christian Ströbele (RA, Bündnis 90/Die Grünen) die Klagen von Bürgerinnen und Bürgern sowie verschiedenen Berufsverbänden gegen die Änderung des Grundgesetzes und zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität als unzulässig abgewiesen. In der Begründung des Gerichtes heißt es: „Die angefochtenen Gesetze verletzen Bürgerrechte. Sie gestatten den staatlichen Eingriff in Intimbereiche der Bürgerinnen und Bürger … Aber wenn die Veränderung des Grundgesetzes wirksam beschlossen ist, ist von einer Anrufung der Gerichte Abhilfe nicht mehr zu erwarten. Politischer und praktischer Widerstand mit technischen Mitteln ist angesagt.“


In Berlin ist ein Aktionskreis für die Beibehaltung der Freiwilligkeit des Religions- und Lebenskundeunterrichts gegründet worden, den Gerd Eggers initiiert hat. Im Rahmen dieser Initiative fand am 4. Februar eine sehr gut besuchte Veranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus statt, an der neben der Schulsenatorin auch die (potentiellen) Anbieter von Religions- und Lebenskundeunterricht sowie VertreterInnen der Schüler, Eltern und Lehrer und der Fraktionen teilgenommen haben. Anlaß dieser Veranstaltung war das Bekanntwerden der im vergangenen November wieder aufgenommenen Verhandlungen zwischen dem Senat und den beiden Kirchen über neue Staatsverträge, in denen u.a. zunächst unter Ausschluß der Öffentlichkeit die Einführung von Religionsunterricht als Wahlpflichtfach verhandelt wurde. Ziel des Aktionskreises ist es, die öffentliche Diskussion der Senats-Kirchen-Verhandlungen zu fördern.


Am 18. Februar fand im Haus der Demokratie eine vom Antidiskriminierungsbüro vorbereitete Veranstaltung zu den sog. Taxifahrerprozessen in Sachsen statt. In diesen Prozessen haben sich mehrere Taxifahrer wegen einer angeblichen Beihilfe bei der illegalen Einwanderung zu verantworten und sind teilweise verurteilt worden, weil sie ausländische Fahrgäste innerhalb des deutschen Grenzgebietes befördert haben. Aufgrund der zahlreichen Verfahren haben die örtliche Handelskammer und die Taxiinnung inzwischen Richtlinien für ihre Fahrer erstellt. In diesen Richtlinien werden die Fahrer dazu aufgefordert, durch ihr Aussehen und andere Merkmale zu verdächtigende Menschen von der Beförderung auszuschließen bzw. den BGS einzuschalten. Vor allem die mit den Verfahren verbundenen Aufforderungen zur Beobachtung und Denunziation von ausländisch erscheinenden Menschen haben eine nachhaltige Wirkung in den betroffenen Regionen hinterlassen.
Unsere Landesvorsitzende Ingeborg Rürup war an der Podiumsdiskussion beteiligt und arbeitet in einem Arbeitskreis an diesem Thema weiter.


In Berlin hat eine Kampagne von „Mehr Demokratie jetzt“ begonnen, welche im Haus der Demokratie ein Büro eröffnet hat. Mit dieser Kampagne wollen die beteiligten Organisationen ihre Forderungen nach mehr direktdemokratischen Einflußmöglichkeiten durchsetzen. Obwohl es für Berlin bereits die verfassungsmäßige Garantie für einen Volksentscheid gibt, liegen die Hürden für ein derartiges Verfahren derzeit noch sehr hoch. Ziel der Initiative ist es, die Kriterien für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einfacher zu gestalten, um in Zukunft echte Beteiligungsmöglichkeiten zu erhalten. Außerdem wird eine Erweiterung der direktdemokratischen Elemente auf die kommunale Ebene (die Berliner Bezirke) angestrebt. Am 2. März hat ein erstes Treffen der interessierten Organisationen stattgefunden, bei dem der weitere Fahrplan für die Initiative beraten wurde. Der Berliner Landesverband will diese Initiative weiterhin unterstützen.


Am 18. März 1998 hatten wir einen Neuanfang in der Gefangenenarbeit: Nach ihrer jahrelangen Arbeit für die von der HU Berlin vermittelten Gefangenenbriefkontakte beendet Ute Buggisch diese Tätigkeit. Für Ihre ausdauernden Bemühungen um die gerade für Gefangene so wichtigen Kontakte zur Außenwelt möchte ihr der Landesvorstand an dieser Stelle herzlich danken. Zusammen mit Helga Engel haben wir uns entschieden, diese Arbeit auch in Zukunft weiterzuführen und unsere Tätigkeit im Bereich des Strafvollzuges ausbauen. Mit den in den Beiräten der Justizvollzugsanstalten vertretenen und anderen interessierten Menschen wollen wir künftig zusammenarbeiten und uns stärker in die Diskussionen um den Strafvollzug in Berlin einmischen. Wer ebenfalls an einer Mitarbeit in diesem Bereich interessiert ist, kann sich gern an die Berliner Geschäftsstelle wenden.


Seit dem Besuch des ehem. New Yorker Polizeipräsidenten Bratton in Berlin haben sich hier die Rufe nach einem härteren Durchgreifen der Polizei auch bei kleinen Delikten und nach mehr Sicherheit und Ordnung in der Stadt verstärkt. Neben dem bevorstehenden Regierungsumzug sind nicht zuletzt auch die anstehenden Wahlen Auslöser dafür, daß die Forderungen für eine stärkere Sicherheitspolitik sich vermehren.
Wir beschäftigen uns mit den gegenwärtigen Tendenzen der Ordnungspolitik in Berlin (wie sie v.a. durch das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz ermöglicht wurden) und den geplanten Polizeireformen sowie dem von Bundesinnenminister Kanther angekündigten Sicherheitsnetz für die Stadt. Weiterhin möchten wir darauf aufmerksam machen, wie in Bezug auf Kriminalität eine „Politik mit der Angst“ betrieben wird (angebliche Bedrohung durch Ausländer, Umgang mit der Kriminalstatistik). Hierzu bereitet der Landesverband gerade eine Veranstaltung und evtl. weitere Aktionen sowie eine Beilage zur tageszeitung vor.


Mitglieder des Landesvorstandes sind an der Vorbereitung der für 1999 geplanten „Wochen der Bürgergesellschaft“ zum 50. Geburtstag des Grundgesetzes beteiligt. Initiatorin ist u.a. Frau Hildegard Hamm-Brücher. Der Aufruf und die Kontaktadressen sind ebenfalls in dieser Ausgabe der Mitteilungen zu finden.

 

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