Ethikunterricht an Berliner Schulen: Informationen und Argumente
An den Schulen der Metropole Berlin mit ihrer großen Vielfalt von Kulturen, Religionen und Weltanschauungen wird im August 2006 das neue Fach „Ethik“ als ordentliches Lehrfach für alle Schülerinnen und Schüler der 7. bis 10. Klasse eingeführt. Mit dieser Entscheidung reagierte das Berliner Parlament nach einer mehr als 15 Jahre währenden Debatte mit den Stimmen von SPD, Linkspartei.PDS und Bündnis 90/ Die Grünen auf die vielfältigen Entwicklungen in unserer offenen Gesellschaft und globalisierten Welt, um die Heranwachsenden mit einer erweiterten Allgemeinbildung auf das Leben unter diesen neuen Bedingungen besser vorzubereiten. Damit wurde auch der Tatsache entsprochen, dass bisher an Berliner Schulen von den Schülern der 7. bis 10. Klasse 75 Prozent keinen besonderen wertorientierenden Unterricht besuchen.
Aufgaben und Ziele des Faches Ethik
Sie werden im Berliner Schulgesetz folgendermaßen festgelegt:
„Ziel des Ethikunterrichts ist es, die Bereitschaft und Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer kulturellen, ethnischen, religiösen und weltanschaulichen Herkunft zu fördern, sich gemeinsam mit grundlegenden kulturellen und ethischen Problemen des individuellen Lebens, des gesellschaftlichen Zusammenlebens sowie mit unterschiedlichen Wert- und Sinnangeboten konstruktiv auseinander zu setzen. Dadurch sollen die Schülerinnen und Schüler Grundlagen für ein selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes leben gewinnen und soziale Kompetenz, interkulturelle Dialogfähigkeit und ethische Urteilsfähigkeit erwerben …“ Das Fach Ethik „wird weltanschaulich und religiös neutral unterrichtet.“ (Berliner Schulgesetz § 12, Abs. 6)
Neben Bildung, Erziehung und Entwicklungsbegleitung der Heranwachsenden wird in diesem Fach ein wesentlicher Beitrag zur ihrer sozialen Integration in unsere Gesellschaft und zu ihrer Orientierung auf die Menschenrechte und die Normen und Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung geleistet.
Zur Begründung des Faches
wird vom Gesetzgeber auf zwei Fakten hingewiesen. „Zum einen ist Berlin durch eine große Vielfalt von Kulturen, Religionen und Weltanschauungen geprägt. …. Zum anderen besteht gerade in der Sekundarstufe I ein besonderer Bedarf für den Ethikunterricht“, weil die Jugendlichen zur Lösung ihrer Probleme und Konflikte, darauf angewiesen sind, „unterschiedliche ethisch-moralische Positionen kennen zu lernen, sie im Zusammenhang mit Biografie, sozialer Position, Religion, Weltanschauung und kulturellem Hintergrund zu sehen, und Begründungen kennen zu lernen.“ (Aus der Begründung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes)
Rahmenlehrplan für Ethik
Grundlage für den Ethikunterricht ist nach den einschlägigen Schulgesetzbestimmungen ein Rahmenlehrplan. Er enthält sechs Themenfelder:
- Identität, Freundschaft und Glück
- Freiheit, Verantwortung und Solidarität
- Diskriminierung, Gewalt und Toleranz
- Gleichheit, Recht und Gerechtigkeit
- Schuld, Pflicht und Gewissen
- Wissen, Hoffen und Glauben.
Qualifizierung der Ethik-Lehrkräfte
Das Fach Ethik wird von Lehrkräften unterrichtet, die sich seit dem Februar 2006 dafür qualifizieren. Das Abgeordnetenhaus hat im Juni 2006 beschlossen, dass durch alle Lehrkräfte ein Weiterbildungsstudium wie für andere ordentliche Lehrfächer zu absolvieren ist. Ab Herbstsemester 2007 wird man das Fach Ethik an der Freien Universität und der Humboldt-Universität auch grundständig studieren können.
Um die komplexen Aufgaben des Berliner Faches Ethik realisieren und die Breite der Inhalte im Unterricht vermitteln zu können, werden an die Ethiklehrkräfte hohe Anforderungen gestellt. Der Gesetzgeber hat sich deswegen auch über die Bezugswissenschaften für Unterricht und Qualifizierung geäußert. In der Einzelbegründung zum Fach Ethik im Schulgesetz heißt es: „Bezugwissenschaften des Faches und für die Qualifizierung der Lehrkräfte sind die Sozial- und Kulturwissenschaften, Philosophie, Religionswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Psychologie und die Fachdidaktik.“
Einführung des Faches
Der Unterricht im Fach Ethik beginnt ab August 2006 in den 7. Klassen aller Schulformen und wächst in jedem Jahr um eine weitere Jahrgangsstufe bis zur 10. Klasse hoch.
Kooperation mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
Das Schulgesetz sieht vor, dass im Ethikunterricht zu einzelnen Themen eine Kooperation mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erfolgen soll. Diese Kooperation ist an das grundgesetzliche Gebot der Gleichbehandlung und der religiös-weltanschaulichen Neutralität gebunden. Die konkrete Ausgestaltung der Kooperation liegt in der Verantwortung der einzelnen Schulen.