Einführung polizeilicher Videoüberwachung: Bürgerrechtler sehen trotz Nachbesserung Gefahr
Das Netz privater und staatlicher Videoüberwachung in Berlin wird durch die zusätzliche polizeiliche Erfassung sogenannter „gefährdeter Objekte“ noch engmaschiger. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Regierungsfraktionen inzwischen datenschutzrechtliche Verbesserungen an der Senatsvorlage vorgenommen haben.
- Unsere Befürchtung, dass mit der Erfassung des Umfeldes „gefährdeter Objekte“ eine flächendeckende Beobachtung des öffentlichen Raumes durch die Hintertür droht, hat sich durch den inzwischen vorliegenden Änderungsantrag relativiert. Allerdings finden sich wichtige Präzisierungen zur Begrenzung der Kontrollen nur im rechtlich nicht verbindlichen Begründungstext.
- Als Erfolg der Anhörung von Sachverständigen werten wir die im Vergleich zum Senatsentwurf verbesserten Klauseln zur Löschung von personenbezogenen Daten, zur Beschilderung und zur Benachrichtigung der Betroffenen.
Dennoch bleiben wesentliche Kritikpunkte bestehen:
- Noch immer wollen SPD und PDS nicht nur die Beobachtung, sondern auch die Aufzeichnung per Kamera. Die permanente Aufzeichnung ist datenschutzrechtlich weitaus problematischer, unnötig und unter Umständen sogar kontraproduktiv: Nur wenn die Polizei unmittelbar auf das beobachtete Geschehen reagiert, können Straftaten verhindert werden.
- Was ein „gefährdetes Objekt“ ist, bleibt im Gesetzestext vage. Ein „Bauwerk von öffentlichem Interesse“ kann im Zentrum Berlins fast alles sein.
- Es fehlt ein Konzept zur Eindämmung der Flut von immer mehr Überwachungsanlagen. Damit verstößt der Senat gegen seine Schutzpflichten hinsichtlich der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben u.a. eine Berichtspflicht vorgeschlagen, um die Verbreitung der Kameras wenigstens transparent zu machen. Bislang sind unsere Ideen zur parlamentarischen Kontrolle nur von der Fraktion der Grünen aufgegriffen worden.
Jede Videoüberwachung stellt einen Eingriff in persönliche Grundrechte dar. Immer häufiger werden persönliche Daten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern erhoben. Diese Kontrollen ohne Anlass widersprechen dem Menschenbild des Grundgesetzes.
Die Akzeptanz der Videoüberwachung nimmt indes ab. Zunehmend spricht sich herum, dass sie keine Wunderwaffe gegen Kriminalität ist. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der hohe personelle und finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zu dem kaum nachweisbaren Ertrag steht.
Die Humanistische Union fordert das Abgeordnetenhaus auf, Lehren aus der Auseinandersetzung um die Videoüberwachung an der Humboldt-Universität zu ziehen, die dort jüngst mit einer Entfernung von Kameras endete.
Zugleich unterstützen wir ausdrücklich die Bemühungen mutiger und entschlossener Bürgerinnen und Bürger der Stadt, auf dem Klageweg auch der zunehmenden Ausbreitung des rechtswidrigen Einsatzes privater Videoüberwachung im öffentlichen Raum (Klagefall Dussmann am Amtsgericht Berlin-Mitte) entgegenzutreten.
Eine gutachterliche Stellungnahme der HU zur Senatsvorlage liegt vor: