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Rot-schwarze Koalition in Berlin – Ein Rückschritt für die Bürger­rechte

10. November 2011

Am 15. November verhandeln die Berliner SPD und CDU über die letzten offenen Themen des Koalitionsvertrages. Eine Einigung muss insbesondere noch bei den Themen Polizeikennzeichnung, kommunales Ausländerwahlrecht, Absenkung des Wahlalters sowie beim Versammlungsrecht gefunden werden.

Vor der Wahl hatte die SPD versprochen, an der jetzigen Form der Polizeikennzeichnung festzuhalten, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken und ein kommunales Ausländerwahlrecht einzuführen (siehe Wahlprüfsteine der Humanistischen Union). Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union Berlin fordert die SPD auf, sich für die versprochenen Inhalte einzusetzen.

Polizeikennzeichnung beibehalten

Wir würden es sehr bedauern, wenn sich die Koalitionsparteien dazu entschließen würden, die mühselig gefundene Einigung zwischen dem Polizeipräsidenten und den Beschäftigtenvertretern zur Polizeikennzeichnung aufzuheben oder abzuändern. Die Kennzeichnung stärkt das Vertrauen der Bürger in die Polizei und ermöglicht im Fall rechtswidriger Maßnahmen deren Aufklärung. Sie ist aus demokratischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten daher ein großer Gewinn für das Land Berlin.

Demokratischeres Wahlrecht einführen

Ein Fortschritt für das Land wäre auch die Einführung eines demokratischeren Wahlrechts. Dazu gehören die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für alle dauerhaft in Berlin lebenden Bürgerinnen und Bürger. Die Humanistische Union unterstützt beide von der SPD vor der Wahl angekündigte Vorhaben. 460 000 Berlinerinnen und Berliner dürfen mangels deutschen Passes bei den Wahlen nicht mitentscheiden, obwohl sie in Berlin Steuern zahlen, von allen politischen Entscheidungen betroffen und hier zu Hause sind. Wir finden, wer von den Berliner Gesetzen betroffen ist, muss auch darüber mitentscheiden dürfen. Ebenso betrifft das die sechszehn- und siebzehnjährigen Berlinerinnen und Berliner.

Versammlungsfreiheit schützen

Wir fordern die Verhandlungspartner zudem auf, keine Gesetze einzuführen, die die Versammlungsfreiheit der Berlinerinnen und Berliner einschränken. Insbesondere ist davon abzusehen, Übersichtsaufnahmen von friedlichen Versammlungen zu erlauben. „Der einzelne Versammlungsteilnehmer könnte durch das Gefühl des Beobachtetseins ungewollt eingeschüchtert und zu bestimmten, aus seiner Sicht den beobachtenden Polizeibeamten gerecht werdenden Verhaltensweisen veranlasst oder sogar von der Teilnahme an der Versammlung abgehalten werden.“ Diese Aussage des Berliner Verwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 5. Juli 2010 sollten sich SPD und CDU zu Herzen nehmen.

Die Humanistische Union warnt SPD und CDU vor weiteren Rückschritten bei den Bürgerrechten. Eine solche Politik wird einer lebenswerten, weltoffenen und liberalen Stadt wie Berlin nicht gerecht. Die Verhandlungspartner hatten sich bereits in den letzten Wochen auf einige Maßnahmen geeinigt, die die Bürgerrechte der Hauptstädter einschränken.

Mehr Überwachung im Öffentlichen Personennahverkehr beschlossene Sache

Laut Presseberichten haben sich die Verhandlungspartner geeinigt, die Speicherdauer der von der BVG angefertigten Videoaufzeichnungen von 24 Stunden auf 48 Stunden zu erhöhen. Die Humanistische Union lehnt dies ab. Bisher gibt es keine wissenschaftliche Evaluation, die belegt, dass die Videoüberwachung Straftaten verhindern kann. Dennoch wird permanent daran gearbeitet die Überwachung auszubauen, obwohl damit ein massiver Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Berlinerinnen und Berliner verbunden ist.

Zusätzliche Videoüberwachung der Autofahrer

Weitere Eingriffe in ihr Persönlichkeitsrecht werden die Bürgerinnen und Bürger nach den Plänen von SPD und CDU durch das automatische Scannen von Autokennzeichen erdulden müssen. Das Scannen der Kennzeichen, für das die Parteien eine Rechtsgrundlage schaffen wollen, dient dazu, Autodiebe und Versicherungsbetrüger aufzuspüren. Hierfür werden millionenfach Autokennzeichen zum Fahndungsabgleich auf Video aufgenommen. Die HU hält eine solche systematische Überwachung des Verkehrs für völlig unverhältnismäßig.

Längere vorsorgliche Ingewahrsamnahme ebenfalls schon vereinbart

Zudem haben SPD und CDU vereinbart, dass Personen, von denen angenommen wird, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit straffällig werden, künftig bis zu vier Tage festgesetzt werden können. Bisher galt eine Höchstdauer von 24 Stunden. Die Humanistische Union hält eine Verlängerung des sog. Vorbeugegewahrsams für überflüssig. Die präventive Ingewahrsamnahme von Unschuldigen darf verfassungsrechtlich nur in absoluten Ausnahmefällen angewendet werden, wenn andere Maßnahmen wie z.B. Meldeauflagen die prognostizierte Straftat nicht verhindern können. Solche Fälle sind aber kaum denkbar. Auch die derzeitige (kommissarische) Berliner Polizeipräsidentin Koppers hält die Verlängerung der Möglichkeit zur vorbeugenden Freiheitsentziehung für nicht erforderlich (vgl. Interview in der taz vom 24.10.2011). Es scheint, als sei dieses Vorhaben reine Symbolpolitik. Eine Symbolpolitik, mit der allerdings Tür und Tor geöffnet wird für unverhältnismäßige und somit rechtswidrige Grundrechtseingriffe.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Anja Heinrich, Geschäftsführerin der HU Berlin-Brandenburg, unter (030)

204 25 04 oder berlin@humanistische-union.de

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