Linkspartei.PDS

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Innenpolitik

1) Unter welchen Voraussetzungen halten Sie Videoüberwachung an öffentlich zugänglichen Orten (z.B. U-Bahnen) für zumutbar?

Die Linkspartei.PDS hat sich immer gegen eine Video-Überwachung des Öffentlichen Raumes ausgesprochen und steht weiterhin zu dieser Position. Bisher hat die BVG Video-Überwachung ausschließlich in Ausübung ihres Hausrechts ohne Speicherung vorgenommen. Die videoüberwachten Orte müssen gekennzeichnet sein. Seit wenigen Monaten hat die BVG auf drei U-Bahnlinien einen Modellversuch begonnen, der eine befristete Aufzeich-nung zulässt. Dazu hat es eine enge Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten gegeben, und diese Modellversuche werden wissenschaftlich begleitet. Wir stehen dieser Entwicklung skeptisch gegenüber, wollen aber die Ergebnisse abwarten, da auch uns nicht unbekannt ist, dass die BVG eine hohe Verlustsumme durch Vandalismus tragen muss und die subjektive Angst von BVG-Nutzern insbesondere in den Abendstunden zunimmt.

2) Befürworten Sie die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle, die Vorwürfen unverhältnismäßigen polizeilichen Handelns nachgeht („Polizeibeauftragte/r“)?

Ja

Leider konnten wir uns mit dieser Forderung in der Koalition nicht durchsetzen. Wir streiten weiter dafür, obwohl es deutliche Veränderungen innerhalb der Polizeiführung gibt, die konsequent Fehlverhalten ahndet. Trotzdem halten wir an der Notwendigkeit fest, Transparenz für Betroffene, für Bürgerinnen und Bürger über eine solche unabhängige Stelle herzustellen.

3) Befürworten Sie eine individuelle Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten? 

Ja

Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, diese individuelle Kenn-zeichnung, möglichst im Einvernehmen mit der Polizei und ihren Vertretungen, umzusetzen. Auf freiwilliger Basis tragen bisher ca. 60 % der Polizistinnen und Polizisten eine namentliche Kennzeichnung. Das Problem liegt dagegen in den geschlossenen Einheiten, wo der Widerstand ebenso wie von den Gewerkschaften weiterhin massiv ist. Inzwischen ist eine Vereinbarung umgesetzt, dass vierstellige große Rückennummern zumindest die Zuordnung zu einer fünf bis sechs Polizisten umfassenden Gruppe möglich machen. Sollten damit weiterhin Probleme bei der individuellen Zuordnung beispielsweise in Gerichtsverfahren auftreten, wird es eine individuelle Kennzeichnung geben.

Ja

Für die Linkspartei.PDS ist das Versammlungsrecht eines der kon-stituierenden Rechte der Demokratie. Und es ist ein Minderheitenrecht. Die Mehrheit der Gesellschaft muss auch schwer erträgliche Meinungen von Minderheiten aushalten können. Wir halten sogenannte Bannmeilen für ein Relikt und finden, dass auch Parlamente andere Meinungsäußerungen und Proteste zu Kenntnis nehmen müssen. Das Strafgesetzbuch gibt vor, wann Demonstrationen zu verbieten sind, darüber hinaus sind inzwischen Orte von der Bundesregierung und von den Landesregierungen per Gesetz be-nannt worden, an denen das Demonstrationsrecht noch einmal einer stärkeren Eingrenzung unterliegt. Dabei handelt es sich um Orte, die den Opfern der Nazi-Verbrechen gewidmet sind. Auch hier ist die Linkspartei.PDS skeptisch, weil damit die falsche Erwartung verbun-den ist, auf diese Weise Probleme mit rechtsextremistischen Aufmärschen lösen zu können. Aber es ist auch ein Signal an die Gesellschaft – deshalb haben wir diesem Gesetzentwurf des Innensenators zugestimmt.

5) Befürworten Sie die Abschaffung verdachtsunabhängiger Kontrollen an sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orten“?

Ja

Verdachtsunabhängige Inanspruchnahme von Bürgerinnen und Bürgern widerspricht dem Grundsatz, dass, wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, vom Staat in Ruhe zu lassen ist. Das gilt erst recht bei polizeilicher Überprüfung. Die Linkspartei.PDS konnte allerdings erreichen, dass die sog. Schleierfahndung aus dem ASOG gestrichen wurde.

Ja

Rasterfahndung ist ein untaugliches Mittel und stellt einen schwe-ren Eingriff in die Bürgerrechte einer Vielzahl von Menschen dar, gegen die ebenfalls kein Anfangsverdacht vorliegt. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts sieht sich die Linkspartei.PDS nur durch das Ende der Legislaturperiode nicht in der Lage, sofort die Überprüfung der Berliner Gesetzgebung vorzunehmen. Allerdings hatten wir im Zuge einer ASOG-Überarbeitung bereits die Hürden für ein solches Instrument erhöht.

7) Befürworten Sie das zwangsweise Verabreichen von Brechmitteln bei Menschen, die des Drogenhandels verdächtigt werden? 

Nein 

Unserer Position steht allerdings die insbesondere von Polizeiprak-tikern vertretene Position des sog. milderen Mittels im Verhältnis zu mehrtägigen Inhaftierungen gegenüber. Ebenso wird das Argument der unterlassenen Hilfeleistung durch die Polizei angeführt, sollten sich ohne dieses Eingreifen Drogenbehälter im Magen des Betroffenen auflösen. Die Linkspartei.PDS wird sich weiterhin mit der Polizei über die Brechmittelvergabe auseinandersetzen, um diese auch gesundheitsgefährdende Praxis zu verändern.

Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe

1) Befürworten Sie – über die beschlossenen Veränderungen bei Bürgerbegehren und Volksentscheid hinaus – weitere Verbesserungen für direktdemokratische Verfahren? Wenn ja, welche?

Die Linkspartei.PDS ist eine entschiedene Befürworterin direkter Demokratie. Deshalb hat sie sich auch besonders für machbare und moderate bezirkliche Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, für deutliche Erleichterungen für Volksbegehren und Volksentscheide sowie für die Absenkung des kommunalen Wahlalters auf 16 Jahre und deren Verankerung in der Landesverfassung engagiert. Es war auch die Linkspartei.PDS, die in den zwei von ihr mit absoluten Mehrheiten „regierten“ Bezirken Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf – initiiert und gefördert durch die Landesebene – erstmals die partizipative Haushaltsaufstellung, -durchführung und -kontrolle (Bürgerhaushalt) praktiziert hat. Das waren sehr wichtige Schritte, um in Berlin politische Entscheidungsprozesse auf zeitge-mäßem und weit fortgeschrittenem Niveau zu demokratisieren, aber es sollen nicht die einzigen bleiben. Für die Linkspartei.PDS stehen folgende weitere Schritte auf der unmittelbaren Agenda:

1. Die im Kompromiss mit den anderen Fraktionen vereinbarten Beteiligungsquoren für Volksbegehren und -entscheide sind insgesamt zu hoch, und die Einführung eines speziellen Zustimmungsquorums ist – ebenso wie so manches noch zu komplizierte Verfahren – problematisch. Wir treten dafür ein, in der nächsten Legislaturperiode die Regelun-gen für direkte Demokratie auf Landesebene noch passgerechter an die für direkte Demokratie auf der bezirklichen Ebene anzugleichen (niedrige Beteiligungsquoren, grundsätzlich keine gesonderten Zustimmungsquoren, einfache und bürgerfreundliche Verfahren).

2. Die Regelungen für bezirkliche Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind – laut Gesetz – in der nächsten Legislaturperiode zu evaluieren. Dabei werden wir besonders analysieren, ob nicht die Beteiligungsquoren bei bezirklichen Bürgerentscheiden (jetzt 15 Prozent) abgesenkt werden können.

3. Inzwischen wenden sieben von zwölf Berliner Bezirken zumindest Elemente des Bürgerhaushaltes an. Wir wollen unterstützen, dass in allen Bezirken eine verbindliche Bürger-beteiligung in allen Phasen der Haushaltsaufstellung, -durchführung und -kontrolle geschieht und dass dieses Prinzip auch auf die Landesebene überführt wird.

4. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode alle gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen von Einwohnerinnen und Einwohnern in dem Sinne qualifizieren, dass sie verbindlichen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess bekommen.

5. Nach unserer Auffassung steht auch eine Reform des bezirklichen Wahlrechts an. Wir treten dafür ein, das bezirkliche Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger einzuführen sowie – um den öffentlichen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der BVV zu stärken – die anderenorts üblichen Regelungen des Panaschierens und Kumulierens zu übernehmen.

2) Was wollen Sie tun, damit das Berliner Informationsfreiheitsgesetz künftig verstärkt in Anspruch genommen werden kann?

Die Linkspartei.PDS tritt dafür ein, dass ein Gebührenkatalog verabschiedet wird, der keine Hürden für die Inanspruchnahme der Informationsfreiheit darstellt. Weiterhin wollen wir offensiv für dieses Gesetz werben. Die Linkspartei.PDS hat sich deshalb auch an der gerade erfolgten Gründung der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit beteiligt.

3) Mit welchen Maßnahmen wollen Sie bürgerschaftliches Engagement stärken? Bitte nennen Sie maximal drei Punkte.

1. Die Erfahrungen mit dem Bürgerhaushalt in zwei von der Linkspartei.PDS geführten Bezirken sowie mit Beteiligungsverfahren in QM-Gebieten zeigen, dass echte Entschei-dungskompetenzen über den Einsatz von finanziellen Mitteln Einwohnerinnen und Ein-wohner aktivieren, in demokratischen Verfahren ihre Interessen zu artikulieren und dabei zunehmend die Gesellschaft – das Gemeinwesen – insgesamt als selbstverständlichen Faktor im Blick zu haben. Für die Linkspartei.PDS sind deshalb die Teilhabe bzw. die Al-leinverantwortung der Einwohnerinnen und Einwohner an der Planung, an der Entscheidung und Realisierung der öffentlichen Angelegenheiten maßgeblich, weil nur so das bürgerschaftliche Engagement zum grundsätzlichen Bestandteil eines aktiven Gemeinwesens werden kann.

2. Die Linkspartei. PDS hält es für die Beförderung des freiwilligen Engagements in Berlin für besonders wichtig, dass diese große gesellschaftliche Ressource allen Interessierten leicht erschließbar angeboten wird sowie einen attraktiven Platz in der öffentlichen Wahrnehmung einnehmen kann. Sie hat in der rot-roten Koalition Wichtiges zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements unternommen, wie den umfangreichen Versicherungsschutz für das Ehrenamt, die Einführung des FreiwilligenPasses und zur besseren Infor-mation und Kommunikation die Einrichtung des Bürgerportals „Bürger aktiv“ im Rahmen von „berlin.de“ Sie unterstützt die Idee des Freiwilligenstrukturatlasses, um einerseits In-teressierten einen Wegweiser in die Hand zu geben und um andererseits das Angebot an bürgerschaftlichem Engagement mit dem großen Bedarf in Übereinstimmung zu bringen.

3. Die Linkspartei.PDS setzt sich dafür ein, dass die bestehenden Unterstützungsstrukturen der Freiwilligenarbeit und der Bürgerbeteiligung in Berlin nachhaltig gesichert und ausgebaut werden. Hierzu zählen Freiwilligenagenturen, Nachbarschaftshäuser und Selbsthilfeinitiativen.

4) Wie stehen Sie zur Einführung des (religiös und weltanschaulich neutralen) Schulfaches „Ethik“ und welche Änderungen fordern Sie gegebenenfalls?

Die Linkspartei.PDS hat die Einführung eines religiös und weltanschaulich neutralen Faches, in dem grundlegende Kenntnisse über Lebensweisen und Kulturen, über die großen Weltreligionen und Weltanschauungen sowie zu Philosophie und Ethik und zu Fragen der Lebensgestaltung erworben werden und das für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich ist, immer unterstützt und maßgeblich zur inzwischen beschlossenen Einführung des Faches „Ethik“ und seiner inhaltlichen Ausgestaltung beigetragen. Bereits am 15. März 2005 hat die Fraktion dazu unter dem Titel „Werte, Kulturen, Religionen“ einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die Fraktion beteiligt sich am „Forum Gemeinsames Wertefach für Berlin“, das unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Abgeordnetenhauses Walter Momper steht. Wir haben insbesondere auf die Aspekte interkultureller Bildung in diesem Fach besonderes Gewicht gelegt und deshalb auch die „interkulturelle Dialogfähigkeit“ als zu erreichende Schlüsselkompetenz definiert. Dieses sollte sich nach unserer Auffassung auch im Namen des Faches widerspiegeln. Handlungsbedarf sehen wir vor allem in der mit dem neuen Schuljahr qualitativ anspruchs-vollen Umsetzung des Faches, in der Qualifizierung der Lehrkräfte für dieses Fach und in der Einrichtung eines Studienganges für dieses Fach.

5) Was wollen Sie tun, um die Bildungschancen von sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern und Kindern mit Sprachdefiziten zu verbessern? Bitte nennen Sie maximal drei Punkte.

Von grundlegender Bedeutung ist für uns die frühe vorschulische Sprachförderung, insbesondere in den Kindertagesstätten. Dies wird durch die Einführung eines kostenfreien letzten Kitajahres von Schuleintritt ab 2007 unterstützt werden.
Sprachförderung, ausgerichtet auf die individuellen Erfordernisse eines jeden Kindes, ist Bestandteil schulischer Bildung. Dabei kommt der Schulanfangsphase, in der grundlegende Voraussetzungen für den weiteren Bildungsweg gefestigt werden, ebenso Bedeutung zu wie dem Erwerb fachsprachlicher Kompetenzen in der Sekundarstufe I. Dafür ist es auch notwendig, der Befähigung der Lehrkräfte für „Deutsch als Zweitsprache“ in der Lehrer/innenausbildung mehr Gewicht beizumessen.
Das Angebot für Sprachkurse für Eltern mit Migrationshintergrund (so genannte „Mütterkurse“) soll beibehalten und im Rahmen der Möglichkeiten ausgeweitet werden, da diese für die Entwicklung der Sprachfähigkeit der Kinder nicht zu unterschätzen sind. Des weiteren sollen mehr Möglichkeiten zur Ausbildung und Einstellung muttersprachlicher Lehr-kräfte, Erzieher/innen und weiteren pädagogischen Personals geschaffen werden.

6) Wie wollen Sie die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund verbessern? Bitte nennen Sie maximal drei Punkte.

1. Wir wollen das bezirkliche Wahlrecht auf Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger erweitern, treten dafür ein, alle bestehenden Beiräte und andere entsprechende Gremien verbindlich in die Entscheidungsvorbereitungen einzubeziehen und wollen alle Projekte, die sich der Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund widmen, weiter und zielgerichtet fördern.

2. Wir wollen eine konsequente Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten der Länder hinsichtlich der Erleichterung von Einbürgerungsverfahren zugunsten der MigrantInnen durch Bestandsabbau und die weitere Umsetzung struktureller Verfahrensverbesserungen für Neuanträge.

3. Wir wollen eine Erhöhung des Anteils von MigrantInnen im Öffentlichen Dienst zur zukunftsorientierten Anpassung von sozialen Institutionen und Dienstleistungen an die veränderte Bevölkerungszusammensetzung, um den sozialen Frieden und das demokrati-sche Miteinander aller Bevölkerungsgruppen und die Entwicklung einer bedarfs- und flächendeckenden Integrationsstruktur zu gewährleisten.

7) Wie wollen Sie Flüchtlingen, insbesondere langjährig Geduldeten, eine Integrationsperspektive bieten? Bitte nennen Sie maximal drei Punkte.

1. Wir werden uns weiterhin über die Landesebene für eine bundesweite gesetzliche Blei-berechtsregelung einsetzen.

2. Auf der Landesebene werden wir uns für eine weitgehende Ausschöpfung bestehender Ermessenspielräume einsetzen, um eine aufenthaltsrechtliche Absicherung durch die Umwandlung von Duldungen in Aufenthaltserlaubnisse zu erreichen, wie dies bspw. für traumatisierte Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und für palästinensische Flüchtlinge aus dem Libanon gelungen ist.

3. Wir werden uns für einen erleichterten Arbeitsmarktzugang durch eine großzügigere Er-teilung von Arbeitserlaubnissen einsetzen.

Strafvollzug

1) Obwohl Straftaten abnehmen, nimmt die Zahl der Inhaftierten zu. Welche Maßnahmen zur Vermeidung von Gefängnisaufenthalten sollten aus Ihrer Sicht ergriffen werden?

Laut Kriminalstatistik bewegt sich die Anzahl der Straftaten innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite, die in den letzten drei Jahren eine sinkende Tendenz verzeichnet. Dass trotzdem die Überbelegung der Haftanstalten in Berlin weiter zunimmt, liegt neben der Verschärfung der Bundesgesetze auch an der Tatsache, dass die verhängten Strafen länger geworden sind. Gerichte sind unabhängig in Ihrer Urteilsfindung. Jedoch findet die Recht-sprechung in einem gesellschaftlichen Klima statt, in dem der rechtspolitische Diskurs – geschürt durch reißerische Medienberichte – davon geprägt ist, dass immer härtere und immer längere Strafen für Straftäter gefordert werden. Diese Richtung schlägt sich auch in der Bun-desgesetzgebung nieder. Die Linkspartei.PDS unterstützt seit langem Maßnahmen, die zur Haftvermeidung oder -verkürzung beitragen. Freie Träger und die Sozialen Dienste der Justiz betreiben gemeinsam mit der Berliner Justiz hochwirksame Programme, z.B. „Arbeit statt Strafe“, „Schwitzen statt sitzen“, besonders auch für zu Ersatzfreiheitsstrafen Verurteilte. Wir setzen beispielsweise auf die Entkriminalisierung von KonsumentInnen, wenn wir die Cannabismenge, deren Besitz nicht zwingend strafrechtlich verfolgt werden muss, erhöhen und Drogenkonsumräume für Schwerstabhängige eingerichtet haben. Der Senkung der Rückfallgefahr dient die Einrichtung einer ambulanten Nachsorge für entlassene Straftäter mit Sexualdelikten. Maßnahmen sind auch im Bereich des Vollzugs selbst notwendig, z. B. Verbesserung der Möglichkeiten zur Resozialisierung, Transparenz und Zielgerichtetheit der Vollzugsplanung (es gibt gerade ein neues System), Verbesserung der Arbeitsbedingungen, mehr vorzeitige Entlassungen. Haftvermeidung hat aber vor allem etwas mit der Kenntnis von Ursachen für Kriminalität und entsprechenden Präventionsstrategien zu tun. Deshalb sind vor allem im Bereich der Frühintervention im Kinder- und Jugendalter Maßnahmen zu verstärken, die die Perspektive verbessern. Keine Stigmatisierung und frühzeitige Ausgren-zung, dafür Stärkung von Verantwortungsgefühl füreinander gehören dazu. (Maßnahmen im neuen Schulgesetz)

2) Bei den vorzeitigen Entlassungen auf Bewährung liegt Berlin bundesweit ganz hinten. Wie kann Berlin hier seine Position verbessern?

Wir setzen uns mit dem Widerspruch auseinander, dass Berlin einerseits einen bundesweiten Spitzenplatz bei der Gewährung von Vollzugslockerungen (Urlaub, Ausgang, Freigang) einnimmt, trotz steigender Lockerungszahlen gibt es deutlich seltener Nichtrückkehr. Andererseits führen diese vorbereitenden Maßnahmen nicht zu mehr vorzeitigen Entlassungen auf Bewährung. Diese Situation halten wir für unbefriedigend, obwohl wir wissen, dass Strafaussetzung nur von der Strafvollstreckungskammer angeordnet werden kann. Die Vollzugs-anstalten scheinen jedoch in ihrer Zuarbeit aus Angst vor Misserfolgen sehr restriktiv zu sein. Daran ist zu arbeiten.

3) Einige unserer Haftanstalten sind in einem sehr schlechten Zustand. Wie wollen Sie die Haftbedingungen verbessern?

4) Glauben Sie, dass nach dem Ausschöpfen aller Möglichkeiten der Haftvermeidung und vorzeitigen Entlassungen auf Bewährung der geplante Gefängnisneubau in Großbeeren immer noch nötig ist?

Ja

Diverse Baumaßnahmen sollen den tatsächlich schlechten baulichen Zustand Berliner Haftanstalten verbessern. Viele der Gebäude sind über 100 Jahre alt und nach heutigem Standard kritikwürdig. Daran wird fortlaufend gearbeitet, ein neues Haftkrankenhaus wurde errichtet. Seit 2004 ist durch Urteil des Kammergerichts die Mehrfachbelegung von Hafträumen ohne abgetrennte Toilette unzulässig. Die deshalb notwendigen Umbauten führen zu zusätzlicher Platzknappheit. Deshalb meint die Linkspartei, dass auch bei besserer Ausschöpfung der Möglichkeiten von Haftvermeidung und vorzeitigen Entlassungen auf Bewährung der geplante Gefängnisneubau in Großbeeren notwendig ist. Sollten die Gefangenenzahlen tatsächlich in dem erhofften Maß sinken, wäre es der Würde von Strafgefangenen und der Senkung von Sanierungskosten angemessen, einzelne alte Gebäude ganz zu schließen und den neuen Ersatzbau voll zu belegen.

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