Die Linke

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1. Videoüberwachung

a) Unter welchen Umständen halten Sie eine Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen für erforderlich?

Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum halten wir grundsätzlich nicht für erforderlich. In sehr engen Grenzen kann sie z.B. an bestimmten besonders gefährdeten Orten (wie etwa Synagogen) sinnvoll sein. Bislang gibt es keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse, die beweisen, dass die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume durch Kameras zu einer Senkung der Kriminalität führt. In Großbritannien etwa, wo an vielen Orten das öffentliche Straßenland fast flächendeckend überwacht ist, sind die Kriminalitätszahlen teilweise sogar gestiegen. Kamerabilder können lediglich zur nachträglichen Verfolgung begangener Straftaten hilfreich sein, ohne diese zu verhindern. Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand ist es vielmehr die Anwesenheit und Ansprechbarkeit von Menschen, die einen Ort objektiv und subjektiv sicherer machen. Deshalb stellen wir uns gegen eine Ausweitung von Videoüberwachung. Videoaufzeichnung muss gesetzlich stark begrenzt

bleiben.

b) Unter welchen Umständen halten Sie eine Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen für erforderlich?

Ja

Bereits jetzt haben wir eine teilweise über das bedenkliche Maß hinausgehende Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen, insbesondere in den Bahnhöfen und Fahrzeugen der BVG. Bislang wissen wir wenig darüber, welche Auswirkungen diese Überwachung überhaupt hat. Die zugesagte Evaluation dazu hat die BVG 2006 abgebrochen, als ein Zwischenbericht nicht die gewünschten Ergebnisse brachte. Mit Unterstützung der Verkehrssenatorin Junge-Reyer wurde sich so der ersthaften Diskussion über den Sinn und Unsinn von Videoüberwachung verweigert. Wir setzen uns dafür ein, dass eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Untersuchung der Videoüberwachung bei der BVG erfolgt. Grundsätzlich sollte jede Überwachungsmaßnahme fortlaufend auf ihre Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit überprüft werden.

Nein

Die derzeitigen Regelungen im Berliner Datenschutzgesetz sind mehr als ausreichend, um Videoüberwachung dort zu ermöglichen, wo sie wirklich notwendig ist. Derzeit gibt es sogar eine öffentliche Diskussion darüber, Videoüberwachung auszuweiten, obwohl die Kriminalität – und

insbesondere die Gewaltkriminalität – in Berlin seit Jahren rückläufig ist. Der Eindruck vielfach kursierender Schreckensbilder von Übergriffen in U-Bahnhöfen prägt den politischen Diskurs bis hin zur SPD, auch wenn die Statistik etwas anderes sagt. DIE LINKE will aber keine Sicherheitspolitik

auf dem Rücken der Bürgerrechte. Die Ausweitung der Speicherfrist von Videoaufnahmen im Datenschutzgesetz auf 48 Stunden, wie sie derzeit im Gespräch ist, lehnen wir deshalb ab.

2. Polizeibeauftragter

Befürworten Sie die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerde-stelle, die Vorwürfen unverhältnismäßigen polizeilichen Handelns nachgeht („Polizeibeauftragte/r“)?

Ja

Die Einführung einer unabhängigen Instanz für die Untersuchung von unrechtmäßiger Polizeigewalt ist eine alte, aber immer noch aktuelle Forderung der LINKEN. Nach wie vor erschrecken die Zahlen darüber, wie viele der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamtinnen und –beamte folgenlos bleiben, weil nicht ausreichend und/oder nicht objektiv ermittelt wird. Deshalb halten wir eine solche unabhängige Stelle für unverzichtbar, um eine starke demokratische Kontrolle von Polizeigewalt zu erreichen.

Der Erfolg einer solchen unabhängigen Beschwerdestelle ist allerdings abhängig von ihrer Ausstattung und ihren Befugnissen. Sie muss deshalb zum einen materiell und personell ausreichend ausgestattet sein, um die Ermittlungsaufträge bearbeiten zu können. Zum anderen muss sie die nötigen Ermittlungsbefugnisse wie Einsichtsrechte in Akten, Daten oder Unterlagen,

Auskunfts- und Vernehmungsrechte, Beweiserhebungs- und Zutrittsrechte erhalten. Wir treten zudem dafür ein, dass eine solche Stelle nicht nur für alle Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Polizeibediensteten selbst offen ist. Dies ist nicht nur sachlich geboten – denn auch bei Beschwerden von Polizisten gegen Polizisten wird häufig nicht ausreichend ermittelt – sondern dies wird auch die Akzeptanz einer unabhängigen Untersuchungsinstanz innerhalb der Polizei erhöhen.

3. Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten

Befürworten Sie eine gesetzliche Regelung der individuellen Kennzeichnung mit Namen und/oder Kennnummern?

Ja

Aus Sicht der LINKEN ist die individuelle Kennzeichnung ein unverzichtbares Element einer bürgernahen und professionellen Polizei. Polizistinnen und Polizisten haben als Träger des staatlichen Gewaltmonopols eine ganz besondere Verantwortung. Sie sollen den Bürgerinnen und Bürgern als Menschen, als Individuen entgegentreten, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. In einem demokratischen Rechtsstaat hat jede Bürgerin und jeder Bürger den Anspruch darauf zu wissen, wer in ihre oder seine Rechte eingreift.

Seit vielen Jahren setzt sich die Fraktion DIE LINKE für eine individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten ein. In Berlin waren wir erfolgreich: Hier wird dieses Ziel nun endlich Realität. Eine Dienstvorschrift des Polizeipräsidenten verpflichtet alle Berliner Polizistinnen und Polizisten,

wahlweise ihren Namen oder eine individuelle Nummer auf der Uniform zu tragen. Dies gilt auch in geschlossenen Einstätzen, wie etwa bei politischen Demonstrationen. Berlin ist bundesweit das erste Land, das einen solchen Schritt geht. Dies ist ein großer Erfolg der Linken in Berlin. Damit wollen wir in Berlin ein Vorbild für die Polizeien anderer Länder und für die Bundespolizei schaffen. Auch eine gesetzliche Regelung für eine Kennzeichnungspflicht befürworten wir. Damit wäre nicht nur eine noch festere Verankerung einer solchen Pflicht gegeben, sondern auch die Möglichkeit, Polizeikräften aus anderen Bundesländern oder der Bundespolizei, die in Berlin Amtshilfe leisten,

eine individuelle Kennzeichnung vorzuschreiben. Dies war allerdings bislang nicht politisch durchsetzbar. DIE LINKE wird weiter Überzeugungsarbeit leisten.

4. Demonstrationsrecht

Halten Sie weitergehende Eingriffe in das Versammlungsrecht, wie z. B. anlasslose Videoüberwachung der Teilnehmenden und weitere Auflagen für die Veranstaltenden, für erforderlich („Entwurf eines Berliner Versammlungsgesetzes“)?

Nein

Weitere Einschränkungen des Versammlungsrechts etwa durch „Übersichtsaufnahmen“ der Polizei oder die Möglichkeit, strengere Auflagen vorzugeben, halten wir nicht nur für nicht erforderlich, sondern sogar für gefährlich. Wir wissen, dass es von Seiten der Polizei Begehrlichkeiten gibt, die gesetzlichen Möglichkeiten für die Videobeobachtung von Versammlungen auszuweiten. Dies mag, insbesondere bei sehr großen Demonstrationen, hilfreich zur Koordination eines Polizeieinsatzes sein. Der Preis wäre allerdings ein großer Schaden für die Demokratie. Wir teilen die Auffassung des Berliner Verwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 5.7.2010, dass das Filmen von politischen Versammlungen – egal ob die Aufnahmen gespeichert werden oder nicht – eine abschreckende Wirkung auf die Demonstrationsteilnehmer haben kann. Das Recht auf freie Versammlungen ist ein absolut fundamentales Recht in einem demokratischen Staat. Es darf nicht geschehen, dass dieses

Recht nur noch wahrgenommen werden kann, wenn man bereit ist, sich bei dessen Ausübung von der Polizei filmen zu lassen. Videoaufnahmen bei Demonstrationen sollten deshalb auf das allernötigste beschränkt bleiben, nämlich auf Fälle von konkreten Gefahren der Begehung von Straftaten, wie es bereits in den §§ 12a und 19a des Versammlungsgesetzes festgelegt ist.

Die Möglichkeit, Auflagen für die Versammlungsteilnehmer vorzugeben, ist in unter der bestehenden Rechtslage bereits mehr als ausreichend gegeben.

Wir sind offen dafür, ein eigenes Berliner Versammlungsgesetz in Angriff zu nehmen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ein solches Gesetz das Grundrecht der Versammlungsfreiheit stärkt und die Eingriffsmöglichkeiten des Staates eng begrenzt. Hierfür müssten natürlich die nötigen politischen Kräfteverhältnisse gegeben sein. Als abschreckende Beispiele eigener

5. Verdachtsunabhängige Kontrollen

Befürworten Sie die Abschaffung verdachtsunabhängiger Kontrollen an sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orten“?

Ja

Verdachtsunabhängige Kontrollen sind generell kritisch zu sehen, da sie stark in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen und es gleichzeitig keinen konkreten Grund oder eine konkrete Gefahr gibt, die einen solchen Eingriff rechtfertigen. Bei der Definition von „kriminalitätsbelasteten Orten“ hat i.d.R. die Polizei das alleinige Definitionsrecht und kann ergo ihre

Befugnisse selbst ausweiten, ohne dass es eine demokratische Kontrolle gibt. Zudem werden diese Orte oftmals nicht einmal öffentlich ausgewiesen, so dass es für die Betroffenen nicht nachvollziehbar ist, welcher Rechtslage in Bezug auf die Einschränkung ihrer Freiheitsrechte sie gerade unterliegen.

1. Demokratische Teilhabe

a) Wollen Sie die Einflussmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern auf bezirklicher Ebene verbessern?

Ja

Die direkte Demokratie ist aus Berlin nicht mehr wegzudenken. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen ihre Interessen verstärkt selber in die Hand. DIE LINKE ist in der Koalition besonders aktiv gewesen, um die Bedingungen für die direkte Demokratie deutlich zu verbessern. Mit der Gesetzgebung in den Jahren 2005/2006 wurden im Bundesvergleich niedrige Quoren für Bürgerund Volksentscheide eingeführt. Es gibt kaum Ausschlussgründe für Bürgerentscheide und bereits 16- Jährige können hier mitentscheiden. Bei vielen bezirklichen Formen der Mitbestimmung spielt die Staatsbürgerschaft keine Rolle. In 2010/2011 wurden noch einmal die Verfahren verbessert und

vereinfacht. Beim Bürgerentscheid wurde statt des Beteiligungsquorums ein Zustimmungsquorum eingeführt. Wir wollen, dass sich durch unsere Gesetzgebung die Bevölkerung aufgefordert fühlt, ihre Belange in die eigene Hand zu nehmen.

Wir haben mittlerweile in fünf Bezirken Bürgerhaushalte, wo die Bürgerinnen und Bürger über die Verwendung von Budgetanteilen entscheiden. Und zum Beispiel in Lichtenberg gibt es zusätzlich in allen Stadtteilen Kiezfonds, über deren Verwendung Bürgerjuries entscheiden. Damit verlagern sich die Entscheidungen über die Gestaltung von sozialem Zusammenhalt und Stadtgesellschaft von oben nach unten – die demokratische Bürgergesellschaft wird erlebte Realität. Das wollen wir in ganz Berlin erreichen.

Eine wichtige Voraussetzung für demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger ist transparentes Verwaltungshandeln. DIE LINKE strebt ein „gläsernes Rathaus“ für Berlin und seine Bezirke an, in dem Verwaltungshandeln und die Kommunal- und Landespolitik transparent und nahvollziehbar werden. Wir wollen Instrumente und Formen (wie z.B. das Mediationsverfahren beim

Landwehrkanal) ausbauen, wodurch über vereinbarte Kommunikationslinien größtmögliche Entscheidungskompetenz für alle Beteiligten geschaffen wird.

Wir wollen klare Bedingungen, dass aus der formalen bürgerschaftlichen Mitwirkung (in Beiräten, bei öffentlichen Vorhaben, für Bürgerinitiativen) eine reale bürgerschaftliche Einflussnahme wird.

DIE LINKE will die Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen ausbauen und setzt dabei auch auf E-Petitionen auf Landes- und Bezirksebene sowie die Möglichkeit Volks- und Bürgerbegehren online durchzuführen.

Mit dem Partizipations- und Integrationsgesetz, das wir weiter ausbauen wollen, soll die demokratische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund auch und vor allem auf bezirklicher Ebene verbessert werden (siehe Frage 6).

Ja

In Berlin kann die Bevölkerung in einem Bürgerentscheid über alles entscheiden, worüber auch die BVV entscheidungsberechtigt ist. Diese völlige Gleichsetzung von direkter und Vertretungsdemokratie bedeutet aber auch, dass die Bevölkerung nicht verbindlich entscheiden oder lediglich Empfehlungen abgeben kann, worüber auch der BVV kein verbindliches

Entscheidungsrecht bzw. lediglich die Möglichkeit der Empfehlung an das Bezirksamt zusteht. Wenn z.B. das Land, der Bund oder andere beteiligt sind, kann die BVV nicht über deren Handeln und also auch nicht abschließend in der Sache entscheiden, sondern lediglich eine Empfehlung geben, worum sich das Bezirksamt im Ensemble aller Verantwortlichen bemühen möge. Auch wenn

Landes-, Bundes- oder Europarecht etwas verbindlich vorschreiben, kann die BVV dies nicht für einen Bezirk außer Kraft setzen.

In solchen Fällen ist oft die Enttäuschung bei der Bevölkerung groß. Deshalb hat Rot-Rot jetzt alle Beteiligten verpflichtet, von Anfang an und auf jedem Unterschriftenzettel vorab über den Verbindlichkeitsgrad des Bürgerentscheids zu informieren. So erfolgt die Beteiligung im vollen Wissen um deren Wirkungskraft.

DIE LINKE will zugleich gesetzlich verankern, dass alle Bürgerentscheide zu den rein bezirklichen Angelegenheiten grundsätzlich verbindlichen Charakter haben sollen. Eine diesbezügliche Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes scheiterte bisher an der SPD.

c) Befürworten Sie eine Änderung der Quoren auf Bezirks- und Länderebene?

Ja

Berlin nimmt im Bereich der direkten Demokratie nicht nur bundesweit eine führende Stellung ein. DIE LINKE hat die Senkung der Quoren und Unterschriftenhürden für Volksbegehren /Volksentscheid (2006) und für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Bezirksebene (2005) mit

durchgesetzt. In 2010 wurde geändert, dass nicht Mindestbeteiligung über den Erfolg eines Bürgerentscheids bestimmt, sondern ein Zustimmungsquorum von 10 Prozent eingeführt.

Die Bürgerinnen und Bürger nehmen ihre Interessen verstärkt selber in die Hand. Das wollen wir weiter ausbauen. Die Quoren bei den Volksentscheiden sollen runter. Und wir setzen uns dafür ein, dass das Zustimmungsquorum beim Bürgerentscheid in den Bezirken auf 7,5 Prozent der Wahlberechtigten abgesenkt wird.

d) Welche Reformen des Landeswahlrechts streben Sie an (z.B. Wahlalter 16, 3-Prozent-Hürde, Ausländerwahlrecht, Kumulieren, Panaschieren)?

DIE LINKE steht für ein demokratisches, transparentes und einfaches Wahlrecht. Für die Absenkung des Wahlalters streitet DIE LINKE schon seit vielen Jahren, und zwar nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene. Auch im Land Berlin haben wir uns für das Wahlalter 16

stark gemacht. Für die Wahl im September 2011 ist das wegen der Verweigerung der SPD noch nicht gelungen. Wir sind aber zuversichtlich, dass es in der nächsten Wahlperiode endlich klappt.

Das Wahlrecht sollte aus unserer Sicht nicht allein auf deutsche Staatsangehörige beschränkt bleiben. Menschen, die dauerhaft hier Leben und von demokratischen Entscheidungen betroffen sind, sollten auch die Möglichkeit bekommen, am demokratischen Prozess teilzunehmen – egal,

welche Herkunft oder Nationalität sie haben. Bereits im Jahr 2000 hat die damalige PDS-Fraktion eine Initiative im Abgeordnetenhaus zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EUBürger gestartet. Leider gibt es bis heute nicht die notwendigen Mehrheiten dafür. Abgesehen davon befürworten wir auch eine Ausweitung des Wahlrechts auf Landes- und auf Bundesebene.

Im Hinblick auf eine Ermöglichung von Kumulieren und Panaschieren wollen wir zunächst eine seriöse Prüfung, ob Kumulieren und Panaschieren auf der bezirklichen Ebene (Jeder Bezirk ist eine eigene Großstadt!) tatsächlich sinnvoll und praktikabel ist und nicht zu Lasten der Transparenz und

Verständlichkeit des Wahlrechts geht. Auch die Erfahrungen aus Bremen und Hamburg müssen ausgewertet werden.

Künstliche Hürden für Parteien zum Einzug in Parlamente lehnen wir allgemein ab. Die 3%-Hürde auf Bezirksebene ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Auch für eine Senkung der Hürde auf Landesebene wären wir offen.

2. Informationsfreiheitsgesetz

Was wollen Sie tun, damit Dokumente, die nach dem IFG offen gelegt werden können, von der Verwaltung im Internet veröffentlicht werden?

Grundsätzlich steht DIE LINKE für größtmögliche Transparenz staatlichen Handelns, was bedeutet, dass wir nicht nur für ein weitreichendes Informationsfreiheitsrecht eintreten, sondern auch für eine aktive Veröffentlichung von Dokumenten und Daten durch staatliche Stellen. Abgesehen von bestimmten Ausnahmen können nach dem IFG sämtliche Akten der Verwaltung auf Antrag offengelegt werden. Dies alles aktiv und benutzerfreundlich im Internet zu veröffentlichen, wäre wohl eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Allerdings sollten Dokumente von öffentlichem Interesse, wie etwa Privatisierungsverträge, immer auch im Internet veröffentlicht werden. Wir wollen die Verwaltung durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel transparenter und bürgernäher gestalten. Dazu zählt für uns auch eine Open-Data-Strategie, die Regierungs- und Verwaltungsdaten für alle Berlinerinnen und Berliner in angemessener Weise aufbereitet und zur Verfügung stellt. Im § 17 des IFG sind zudem bereits umfangreiche Veröffentlichungspflichten aufgelistet – diese auch im Internet zur Verfügung zu stellen, sollte im 21. Jahrhundert Standard sein.

3. Bürgerschaftliches Engagement

a) Wie wollen Sie Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaft-licher Institutionen besser an der Planung und Umsetzung von Maßnahmen beteiligen?

Berlin hat eine bundes- und europaweit vorbildliche Gesetzgebung zur direkten Demokratie, die unter maßgebender Mitwirkung der LINKEN eingeführt wurde. Besonders in den Bezirken wurden mit der Einwohnerfragestunde in jeder Bezirksverordnetenversammlung, den Informationspflichten des Bezirksamtes und den Einwohneranträgen – neben den Erleichterungen für Bürgerentscheide – weitere Voraussetzungen für die Beteiligung der Einwohner geschaffen.

Für DIE LINKE ist es eine wichtige Aufgabe dafür zu wirken, dass ehrenamtliches Engagement stärker mit politischer Entscheidungsmöglichkeit verbunden wird. Die kommunale Selbstverwaltung soll tatsächlich als bürgerschaftliche Mitgestaltung und Mitentscheidung entwickelt werden. In den

Bezirken, wo die Linkspartei starken Einfluss ausübt, wird in vielfältigen Formen praktiziert, bürgerschaftliches Engagement in Bürgerinitiativen, Kiezbeiräten, Stadtteilkonferenzen, Vereinen usw. mit direkter politischer Entscheidung zu verbinden. Ein besonderes Beispiel für die enge Anlagerung des direkten und verbindlichen Bürgereinflusses auf die eigentlichen haushaltspolitischen Entscheidungsprozesse ist der Bürgerhaushalt in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf. Auch die Einrichtung von Kiezfonds ist eine solche Form, wodurch die eigenständige Handlungsfähigkeit der Kiezbeiräte erhöht wird.

DIE LINKE setzt sich für die Qualifizierung der Strukturen der Bürgerbeteiligung sowie für eine Verbesserung der Dialogkultur zwischen Bürgern, Verwaltung und Politik ein. Wir wollen, dass die formalen Formen der Bürgerbeteiligung, besonders bei Bauleitplanungen, zu realen Mitplanungs- und Entscheidungsbeteiligungen für die Bürger verbindlich gestaltet werden.

b) Erkennen Sie den Wert und Eigensinn des zivilgesellschaftlichen, freiwilligen Engagements in Berlin an?

Wie könnte die Anerkennungskultur für freiwillig engagierte Bürgerinnen und Bürger in Berlin verbessert werden?

Für DIE LINKE ist freiwilliges, bürgerschaftliches Engagement für Berlin unverzichtbar. Bürgerinitiativen, Selbsthilfegruppen und Interessenverbände sind erfolgreich, weil sie Ausdruck einer ganz eigenen Kultur der Selbstorganisation, der Hilfe, der sozialen Netzwerke und der Lobbyarbeit von Betroffenen für Betroffene sind. DIE LINKE hat in der Koalition Wichtiges zur

Förderung des bürgerschaftlichen Engagements unternommen. Gemeinsam mit der zentralen Freiwilligenagentur Berlin wurde die Praxis thematischer und ergebnisorientierter Runder Tische mit den Beteiligten installiert. Seit dem 1.Januar 2005 gibt es in Berlin einen umfangreichen Versicherungsschutz (Unfall- und Haftpflichtversicherung) für das Ehrenamt. Im September 2005

konnte auf der Grundlage eines gemeinsam mit zahlreichen freiwillig Engagierten und hauptamtlichen Kräften aus Vereinen und Verbänden erarbeiteten Konzepts der FreiwilligenPass eingeführt werden. Zur besseren Information und Kommunikation wurde im Rahmen von „berlin.de“

das Bürgerportal „Bürger aktiv“ geschaffen.

DIE LINKE setzt sich dafür ein, freiwilliges bürgerschaftliches Engagement noch mehr zu fördern und anzuerkennen. Wir wollen Ehrenamtliche in ihrer Arbeit durch Weiterbildungsangebote ebenso unterstützen wie durch Fahrkarten, wenn eigene Mittel dafür nicht ausreichen. DIE LINKE tritt für eine vielfältige Anerkennungskultur, darunter auch finanzieller Anerkennung, für ehrenamtliches Engagement ein. Sie unterstützt die verschiedenen Formen in Berlin und in den Bezirken, wie z.B. die Auslobung von Preisen für Bürgerengagement oder die Förderung von Stadtteilinitiativen durch einen jährlichen Anerkennungsbeitrag durch das Bezirksamt. Es ist aus unserer Sicht eine wertvolle Erfahrung, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und soziale und demokratiefördernde Kompetenzen zu erwerben, die auch für andere Lebensbereiche bedeutsam sind. Dazu gehört auch die Idee, dass ehrenamtliches Engagement Berücksichtigung beim Bewerbungs- und Zulassungsverfahren an Berliner Hochschulen und Fachhochschulen finden sollte. Wir sind uns der Probleme bewusst, wenn freiwilliges Engagement

eine positive Rolle bei Bewerbungen usw. spielen soll. Dennoch wollen wir eine seriöse Debatte darüber, ob nicht ehrenamtliches Engagement ein förderlicher Faktor bei Bewerbungen sein soll, wenn es sich auf Felder erstreckt, sie in einem inneren Zusammenhang mit dem stehen, wofür man sich bewirbt. Rot-Rot hat mit der Einführung des FreiwilligenPasses gute Voraussetzungen dafür

geschaffen.

DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die bestehenden Unterstützungsstrukturen der Freiwilligenarbeit und der Bürgerbeteiligung in Berlin nachhaltig gesichert und ausgebaut werden. Hierzu zählen Freiwilligenagenturen, Nachbarschaftshäuser und Selbsthilfeinitiativen.

c) Nennen Sie drei Maßnahmen, mit denen Sie Infrastruktureinrich-tungen des bürgerschaftlichen Engagements (z. B. Nachbarschafts-häuser oder das Landesnetzwerk Bürgerengagement „aktiv in Berlin“) stärken wollen.

Wir wollen, dass in jedem Berliner Bezirk ein Freiwilligenzentrum oder eine Freiwilligenagentur finanziert wird. Nur so kann nachhaltig Engagement gefördert werden. Die bisherigen Landesmittel zur Finanzierung der Selbsthilfe, im Bereich der Pflege und der Nachbarschaftszentren wollen wir

nicht nur sichern, sondern weiter ausbauen.

Mit dem Infrastrukturförderprogramm Stadtteilzentren besteht eine Infrastruktur zur Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements, die sich an alle Bewohnerinnen und Bewohner Berlins richtet. Eine enge Zusammenarbeit mit Quartiersmanagement und Aktionsräumen plus ist gegeben.

Stadtteilzentren sind starke Partner im Prozess der sozialräumlichen Entwicklung. Die Linke setzt sich dafür ein, dass dem erforderlichen Ausbau und der Weiterentwicklung dieser Infrastruktur über die Erhöhung des Finanzvolumens um 1 Mio. Euro in den kommenden Haushaltjahren Rechnung

getragen wird.

Der Treffpunkt Hilfsbereitschaft, der Initiator des Landesnetzwerkes Bürgerengagement „aktiv in Berlin“ ist, soll auch weiterhin als gesamtstädtische Freiwilligenagentur durch das Infrastrukturprogramm Stadtteilzentren finanziert werden. DIE LINKE unterstützt eine Umstellung auf langfristige Finanzierungen. Mit der Förderung über das Infrastrukturförderprogramm Stadtteilzentren hat Rot-Rot die Finanzierung bis 2015 abgesichert.

Wir setzen uns dafür ein, dass ungenutzte öffentliche Infrastruktur kostenlos Initiativen im bürgerschaftlichen Engagement überlassen werden.

DIE LINKE unterstützt die Schaffung einer Beratungs- und Informationsstelle zur Fördermittelakquise im bürgerschaftlichen Engagement. Sie unterstützt Bürgerstiftungen für bürgerschaftliche Aktivitäten in den Stadtteilen.

4. Ethikunterricht

a) Strengen Sie Änderungen der Rahmenbedingungen für den Ethikunterricht an?

Nein

Eher NEIN, was die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen des Ethikunterrichts anbetrifft. Nachdem das 2006 neu eingeführte Fach Ethik nunmehr bis zur 10. Jahrgangsstufe unterrichtet wird, rückt jetzt die Qualitätsverbesserung des Ethikunterrichts in den Mittelpunkt. Dafür

erforderlich sind die weitere Qualifizierung der das Fach unterrichtenden Lehrkräfte sowie eine Weiterentwicklung des Rahmenlehrplans auf der Grundlage der Erfahrungen der Einführungsphase.

b) Was ist zu tun, damit mehr Ethiklehrerinnen und –lehrer adäquat für das Fach ausgebildet sind.

1. Die Fortführung der Weiterbildungskurse für das Fach Ethik in der nächsten Legislaturperiode, mindestens in der bisherigen Größenordnung.

2. Die Sicherung der erforderlichen Anteile für das Fach Ethik in der Lehrer/innenausbildung an der HU und FU. Die lehrerausbildenden Universitäten haben sich in den Hochschulverträgen verpflichtet, ab 2014 jährlich mindestens 1.000 Lehramtsabsolventen für den Vorbereitungsdienst

5. Bildungschancen

Was wollen Sie tun, um die Bildungschancen von sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern und Kindern mit Sprachdefiziten zu verbessern?

Bitte nennen Sie Ihre drei wichtigsten Punkte.

Die vorschulische Förderung und Betreuung und insbesondere die frühe Sprachförderung wollen wir weiter verbessern und weiter beitragsfrei stellen.

Allen Grundschulkindern soll ein Anspruch auf Ganztagsförderung gewährt und die Personalausstattung in der Schulanfangsphase und für Schulen in sozialen Brennpunkten sowie für Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern aus sozial benachteiligten Familien oder nichtdeutscher Herkunftssprache soll verbessert werden.

Individuelle Förderung aller Kinder als Anspruch jeder Schule, so dass jedes Kind die Unterstützung und Förderung erhält, die es benötigt. Die Berliner Gemeinschaftsschulen, für die DIE LINKE seit Jahren eintritt, sind hier Vorreiterinnen.

6. Gesellschaftliche Teilhabe

Wie wollen Sie die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund verbessern?

Bitte nennen Sie Ihre drei wichtigsten Punkte.

Wir haben im vergangenen Jahr als erstes Bundesland ein Partizipations- und Integrationsgesetz verabschiedet. Die Ziele sind vor allem die gesetzliche Absicherung bestehender Partizipationsgremien und die interkulturelle Öffnung weiterer Gremien und Einrichtungen auf Landes- und Bezirksebene. Dazu gehören u.a. der Landeselternbeirat, die Landesseniorenvertretung und der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung – hier wird es überall Sitze für Vertreterinnen und Vertreter mit Migrationshintergrund geben. Ein weiterer

Schwerpunkt ist die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und der landeseigenen Betriebe, die Anerkennung interkultureller Kompetenz als wichtige Qualifikation und die Gleichstellung der Religionen sofern das in die Zuständigkeit des Landes fällt. Wir werden die Erfahrungen des Berliner Partizipations- und Integrationsgesetzes auswerten und wollen es darauf aufbauend weiterentwickeln.

Demokratische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund bedeutet für DIE LINKE selbstverständlich auch eine Ausweitung des Wahlrechts auf alle hier dauerhaft lebenden Menschen (siehe Frage 1.d).

Neben demokratischer Teilhabe sind Bildung und Erwerbsarbeit wichtige Schlüssel für gesellschaftliche Integration – das gilt für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. DIE LINKE steht für ein gemeinsames Schul- und Kita-System für alle, in dem Ausgrenzung etwa durch den Ausbau der Sprachförderung überwunden wird. Hierfür steht unser erfolgreiches Modell der

Gemeinschaftsschule.

Die interkulturelle Öffnung der Berliner Verwaltung wollen wir weiter vorantreiben. Das Partizipations- und Integrationsgesetz ist hierbei nur eine neben vielen anderen Maßnahmen. So soll das umfassende Programm „Berlin braucht dich“ nicht nur den Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst, sondern auch die Zahl von Azubis mit Migrationshintergrund in der Berliner Wirtschaft erhöhen.

Zu diesem Ausschnitt von Zielen auf Landesebene kommen natürlich noch viele Ansätze, die sich nur auf Bundesebene angehen lassen, wie etwa die bessere Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen.

7. Integrationsperspektiven

Wie wollen Sie Flüchtlingen, insbesondere langjährig Geduldeten, eine Integrationsperspektive bieten?

Bitte nennen Sie Ihre drei wichtigsten Punkte.

DIE LINKE setzt sich grundsätzlich für einen Abbau der rechtlichen Schlechterstellung von Migrantinnen und Migranten, von Flüchtlingen und Asylbewerbern ein. Hierzu ist allerdings eine grundlegende Änderung des bundesrechtlichen Aufenthaltsgesetzes und des Asylrechts nötig, für

die wir uns in Berlin und im Bund immer wieder stark machen. Doch auch auf Landesebene gibt es Spielräume.

Der wichtigste Punkt ist zunächst, dass langjährig hier lebenden Flüchtlingen eine dauerhafte Aufenthaltsmöglichkeit gegeben werden muss, anstatt sie jahrelang in der Duldung festzuhalten. Berlin hat sich deshalb auf Bundesebene erfolgreich für eine Ausweitung und Verlängerung der

Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete eingesetzt. Doch noch immer ist die Regelung unzureichend. Wir wollen deshalb erreichen, dass eine umfassende und dauerhafte Bleiberechtsregelung mit einer Mindestaufenthaltsdauer anstatt eines festen Einreisestichtags eingeführt wird. Fehlende Erwerbsarbeit darf dabei kein Hindernis für die Erteilung einer

Aufenthaltserlaubnis sein.

Menschen ganz ohne Aufenthaltsstatus leben in ständiger Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden. Oft ist es ihnen nicht einmal möglich, ihre grundlegendsten Rechte wahrzunehmen. Auf Landesebene haben wir bereits viele Erleichterungen für „Illegalisierte“ geschaffen, wie etwa die Möglichkeit, ohne Angst Schulen und Kitas zu besuchen oder akute Beschwerden in einem

öffentlichen Krankenhaus behandeln zu lassen. Langfristig müssen diese Menschen jedoch aus der Illegalität herausgeführt werden. DIE LINKE setzt sich deshalb dafür ein, dass der Bundestag endlich eine Legalisierung dieser Personengruppe ermöglicht, wie dies in anderen europäischen Staaten längst geschehen ist.

Viele Flüchtlinge müssen unterhalb des Existenzminimums leben. Das

Asylbewerberleistungsgesetz sieht Sozialleistungen für Flüchtlinge vor, die weit unter den Hartz-IVSätzen liegen. Dieses zutiefst diskriminierende Gesetz muss abgeschafft werden. Asylbewerber und Geduldete sollten Anspruch auf Sozialleistungen haben wie alle anderen auch und auch selbstbestimmt darüber verfügen dürfen. Leistungen in Form von Chipkarten, Gutscheinen etc.

lehnen wir ab. In Berlin haben Flüchtlinge das Recht, nach der Erstaufnahme in eigenen Wohnungen zu leben. Allerdings wird bezahlbarer Wohnraum für sie, ebenso wie für andere Menschen mit niedrigen Einkommen immer knapper. Wir werden weiter dafür arbeiten, dass Flüchtlinge in Berlin in Wohnungen und nicht in Sammelunterkünften leben können. Wir konnten

erreichen, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu diesem Zweck ein Kontingent von Wohnungen vorhalten.

Die Residenzpflicht schränkt die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge und Geduldeten erheblich und völlig überflüssig ein. Auf Betreiben der LINKEN haben Berlin und Brandenburg mittlerweile die Residenzpflicht für unsere Region so weit wie möglich gelockert. Auf Bundesebene streitet DIE

1. Vermeidung von Haft

Welche Maßnahmen zur Vermeidung von Gefängnisaufenthalten sollten aus Ihrer Sicht ergriffen werden?

Immer noch sitzen viel zu viele Menschen Haftstrafen ab, obwohl auch andere Möglichkeiten zur Verbüßung einer Straftat gegeben sind. Zunächst hat die zu hohe Zahl von Haftstrafen ihre wichtigste Ursache darin, dass in den letzten Jahrzehnten die Strafgesetze ständig verschärft worden sind und die Strafmaße ständig erhöht worden sind. Diesen Trend umzukehren und einen

Niederschlag im Strafgesetzbuch zu erreichen ist eine gesamtgesellschaftliche und bundespolitische Aufgabe.

Die Strafvollzugspolitik muss grundlegend auf Resozialisierung und Behandlung der Inhaftierten ausgerichtet sein. So werden z.B. eine gute personelle Ausstattung mit Sozialarbeitern und Therapeuten sowie eine strukturierte, wiedereingliederungsorientierte Entlassungsvorbereitung zur

Senkung der Rückfallquote und damit zur Vermeidung von Haftstrafen beitragen.

Einen nicht unerheblichen Teil der Gefangenen in den Berliner Vollzugsanstalten machen Ersatzfreiheitsstrafer aus, die nur einsitzen, weil sie eine verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können oder wollen. Es gibt bereits Möglichkeiten, eine Strafe durch gemeinnützige Tätigkeiten abzuarbeiten und so die Haft zu vermeiden. Solche Haftvermeidungsprogramme, wie etwa „Arbeit

statt Strafe“, sollten weiter ausgebaut werden. Hierfür wollen wir uns auf Landesebene einsetzen. Auch eine Politik der Entkriminalisierung im Drogenbereich würde zu einer Reduzierung von Haftstrafen beitragen. Doch auch dies geht zu einem wesentlichen Teil nicht an der Bundespolitik vorbei.

2. Entlassung auf Bewährung

Bei den vorzeitigen Entlassungen auf Bewährung liegt Berlin bundesweit ganz hinten. Wie kann Berlin hier seine Position verbessern?

Die vergleichsweise geringe Anzahl an vorzeitigen Entlassungen in Berlin hat diverse Ursachen, die sich nicht alle politisch beeinflussen lassen. Eine dieser Ursachen ist eine in Berlin eher restriktive Rechtsprechungstradition der Strafvollstreckungskammern, auf die die Politik wegen der Unabhängigkeit der Justiz (und das ist gut so!) keinen Einfluss hat. Dennoch sollte weiter daran

gearbeitet werden, mehr Vollzugslockerungen und vorzeitige Entlassungen zu erreichen: konkrete Behandlungspläne, schnellere Planung innerhalb der Einweisungsabteilung, ausreichende Bereitstellung von Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, ständige Überprüfung der Vollzugsplanung auf die Möglichkeit der Gewährung von Lockerung oder vorzeitiger Entlassungen,

ausreichende Möglichkeiten für rechtzeitige Drogentherapien sind Wege, um dem Ziel, mehr Inhaftierte rasch und so sicher wie möglich entlassen zu können, näher zu kommen. Bei den Lockerungen durch offenen Vollzug steht Berlin übrigens im bundesweiten Vergleich sehr gut da: etwa ein knappes Drittel der Gefangenen ist im offenen Vollzug untergebracht.

3. Haftbedingungen

a) Einige unserer Haftanstalten sind in einem sehr schlechten Zustand. Wie wollen Sie die Haftbedingungen verbessern?

DIE LINKE hat den Bau der neuen JVA Heidering, für die bereits der Grundstein gelegt wurde, unter zwei Bedingungen mitgetragen. Erstens werden mit dem Neubau die baulichen Voraussetzungen für einen professionellen und menschenwürdigen Strafvollzug geschaffen. Damit können veraltete Haftbereiche aus der Kaiserzeit (Tegel I und III, Lehrter Str.) geschlossen und den Inhaftierten bessere Bedingungen für Unterbringung, Betreuung, Arbeit und Ausbildung geboten werden. Dies ist für uns auch ein Fortschritt im Hinblick auf einen resozialisierungsorientierten Vollzug unter menschenwürdigen Haftbedingungen.

Zweitens muss für uns die Einrichtung einer neuen Haftanstalt auch mit einer guten Personalausstattung durch zusätzliche Ausbildung und Einstellung von qualifizierten Beschäftigten einhergeht. Dies ist mit dem Koalitionspartner SPD verabredet worden. Fest steht: Unter dem Strich muss bei dem Neubau auch eine spürbare Verbesserung der Resozialisierungsbedingungen für die

Inhaftierten herauskommen, ansonsten wäre das Projekt sinnlos.

b) Welche Änderungen des Strafvollzugsgesetzes – insbesondere in Bezug auf die Mediennutzung (Internet) und Resozialisierung – halten Sie für wünschenswert?

Ein wichtiges Arbeitsfeld der Rechtspolitik waren seit der Föderalismusreform die Justizvollzugsgesetze. Gerade hier sahen wir die Gefahr, dass die Länder zukünftig um die Absenkung von Standards im Vollzug konkurrieren könnten. Deshalb war es uns wichtig, mit möglichst vielen Bundesländern auf qualitativ hohem Niveau um hohe Standards, gute Betreuung, Behandlung und progressiven, libertären Vollzug zu verhandeln. Zu einem Gutteil ist das bisher

auch gelungen. Beim Jugendstrafvollzugsgesetz steht der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt. Junge Menschen in Haft sollen Subjekte sein, die Ansprüche und Rechte haben, die unterstützt und gefördert werden. Einzelunterbringung ist in Berlin die Regel, die Personalausstattung des Jugendvollzugs haben wir verbessert. Der zweite Schritt war das Untersuchungshaftvollzugsgesetz,

bei dem die Unschuldsvermutung im Vordergrund stehen muss und wo wir ebenfalls verbesserte Haftbedingungen schaffen konnten. Viele Regelungen wie zu Besuchszeiten, Aufschlusszeiten und Freizeitregelungen sind in Berlin besser als anderswo. Folgen wird ein „reguläres“ Strafvollzugsgesetz, mit dem wir ebenfalls hohe Standards der Resozialisierung setzen wollen. Entscheidend ist aber nicht nur der rechtliche Rahmen, sondern auch die konkrete Praxis in den Vollzugsanstalten.

Das Medium Internet wird sich weiter im Strafvollzug ausbreiten, diese Entwicklung ist wohl nicht zu stoppen, auch wenn es derzeit nicht erlaubt ist. Das kann für die Resozialisierung sinnvoll sein, andererseits auch problematisch, da über das Internet auch Straftaten begangen werden können.

Eine regulierte Öffnung des Vollzugs für das Internet könnten wir uns aber vorstellen.

Sicherungsverwahrung

1. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-rechte muss die Sicherungsverwahrung reformiert werden. Das führt dazu, dass auch einige in Berlin Sicherungsverwahrte freigelassen werden. Außerdem können entlassene Sicherungsverwahrte ihren Wohnort frei wählen.

Zu 1 und 2:

Nachdem bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das deutsche System der Sicherungsverwahrung infrage gestellt hatte, hat nun das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 4. Mai 2011 eine Reform sämtlicher Vorschriften angeordnet. Mit diesem Urteil hat das BVerfG der Bundesregierung ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt; ebenso den vorangegangenen rot-grünen und schwarz-roten Koalitionen im Bund. Die von Schwarz-Gelb geschaffene Neuregelung der Sicherungsverwahrung vom Dezember 2010 mit samt des „Therapieunterbringungsgesetzes“ wurde als Etikettenschwindel entlarvt, der nur dem Zweck diente, ein gescheitertes System unter neuer Überschrift weiterhin aufrecht zu erhalten – zu Lasten

der Freiheitsrechte der Betroffenen.

DIE LINKE sieht sich damit in ihrer grundlegenden Kritik an der Sicherungsverwahrung und ihrer ständigen Ausweitung bestätigt. Anstatt ein modernes und menschenrechtskonformes Recht zum Schutz der Gesellschaft vor besonders gefährlichen Straftätern zu entwickeln, wurden vom

Bundesgesetzgeber immer mehr Möglichkeiten des „Wegsperrens“ geschaffen. Des eigentlichen Problems, nämlich der massiven Defizite bei Behandlung und Resozialisierung, wurde sich nicht angenommen.

Genau dies hat Rot-Rot in Berlin und Brandenburg bereits im Jahr 2010 in Angriff genommen. Eine Arbeitsgruppe beider Länder hat Eckpunkte darüber entwickelt, wie ein auf freiheitsorientierter und therapiegerichteter Vollzug der Sicherungsverwahrung aussehen könnte. Diese beinhalten u.a. eine Trennung vom „gewöhnlichen“ Strafvollzug, eigenständige Betreuungs- und Behandlungsangebote, die gezielte Förderung der Sozialkompetenz und der Kompetenz zur persönlichen Lebensgestaltung sowie die Ausbildung und Bereitstellung besonders qualifizierten Personals. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe waren auch dem BVerfG bekannt und dürften beim Urteil eine Rolle gespielt haben.

DIE LINKE wird sich dafür einsetzen, dass das Land Berlin (und Brandenburg) diese fortschrittlichen Ansätze in die bundesweite Diskussion um eine grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung einbringt.

Bis dahin muss natürlich mit den konkreten Folgen der Urteile in Berlin umgegangen werden. Klar ist, dass diejenigen, die zu Unrecht eingesperrt waren, nun ein Recht darauf haben, freizukommen. Die Justiz, Führungsaufsicht, Polizei und Bewährungshilfe sind nun gefordert, ihnen dieses Recht zu ermöglichen.

Einige der Betroffenen haben schon mehrere Jahrzehnte hinter Gittern verbracht und müssen nun völlig neu lernen, in Freiheit zu leben. Für eine angemessene Hilfestellung durch die Sozialen Dienste der Justiz muss aus unserer Sicht das nötige zusätzliche Personal bereitgestellt werden.

Wenn ein Betroffener dies wünscht, muss ihm auch die Möglichkeit gegeben werden, freiwillig länger im Vollzug zu bleiben und eine langsame, schrittweise Rückkehr in die Freiheit vorzubereiten.

Natürlich muss auch alles getan werden, um Rückfälle zu vermeiden. Neben

Therapiemöglichkeiten, geeigneter Unterbringung und Betreuung sind dabei auch Auflagen und polizeiliche Maßnahmen gefragt. Allerdings muss ein entlassener Schwerststraftäter auch ein Recht auf Privatsphäre haben. Eine 24-Stunden-Überwachung oder gar die Veröffentlichung der Wohnanschrift – wie es anderswo schon vorgekommen ist – darf es nicht geben.

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