Startseite » Themen » Quartalsbericht Nr. 173 (März 2001)

Quartals­be­richt Nr. 173 (März 2001)

31. März 2001

Bericht des Landesverbandes Berlin für die Mitteilungen Nr. 173 (März 2001)

Der Landesverband hat seine Reihe Republikanischer Vespern in diesem Jahr fortgesetzt: den Auftakt bildete am 18. Januar eine Veranstaltung über das Für und Wider eines möglichen NPD-Verbots. Der Argumentation von Norman Paech, daß die Demokratie durchaus das ausgrenzen könne, was sie für demokratiefeindlich halte, hielt Wolf Dieter Narr entgegen, daß paradoxerweise die Demokratie so ein Stück abgeschafft werde, mit dem Ziel, sie zu bewahren. Auf der folgenden Veranstaltung am 22. Februar stand der §129a StGB (Unterstützung terroristischer Vereinigungen) im Mittelpunkt. Die neuerlichen Verfahren gegen angebliche Mitglieder der Revolutionären Zellen in Berlin gaben einmal mehr dazu Anlaß, sich mit den prozessrechtlichen Folgen einer Anklage nach diesem Paragraphen zu beschäftigen.


Für den 25. Januar 2001 war eine Mitgliederversammlung des Landesverbandes einberufen worden. Neben einem Resümee der Arbeit in den vergangenen zwei Jahren und der Neuwahl des Landesvorstandes stand diesmal auch eine inhaltliche Diskussion auf der Tagesordnung: Hartmut von Hentig war unserer Einladung gefolgt und berichtete vor dem Hintergrund einer andauernden Diskussion über die Neuregelung des Berliner Religionsunterrichtes über seine reformpädagogischen Ideen und Erfahrungen. Zunächst plädierte er dafür, Schule nicht als eine Institution zur Vermittlung von Wissen, sondern als Ort für die Aneignung und Ordnung neuer Erfahrungen zu begreifen. Die erzieherische Aufgabe bestehe darin, den Kindern zu helfen, damit diese nicht einem Wust an Erfahrungen erliegen. Insofern ließen sich auch keine Glaubensfragen aus der Schule ausschließen. Allerdings bestehe zwischen der Weitergabe des Glaubens (Geschichte des Christentums) und der Unterweisung in Religion (christl. Gesetze/Regeln) ein großer Unterschied. Eine Schule als Erfahrungsraum zu begreifen, in dem gemeinsame Regeln der Verständigung entwickelt werden sollen, schließe daher von vornherein die alleinige Orientierung an religiösen oder rationalistischen Modellen aus. Hartmut von Hentig schlägt anstatt eines religiösen Unterrichts die gezielte Anleitung zum philosophischen Denken in der Schule vor. Davon verspricht er sich, den Gewinn philosophischen Denkens für die Kinder erfahrbar zu gestalten und die Entwicklung einer ethischen Haltung zu fördern.
Nach einer kurzen Diskussion über die Bedeutung dieses pädagogischen Ansatzes für die aktuelle politische Debatte um den Religionsunterricht besprachen die anwesenden Mitglieder die künftigen Arbeitsschwerpunkte des Landesverbandes. Abschließend wurden ein neuer Landesvorstand gewählt. Ihm gehören neben Roland Otte (alter und neuer Vorsitzender) an: Thymian Bussemer, Nina Helm, Sigrid Kleinschmidt, Nils Leopold, Constanze Oehlrich, Björn Scheer, Sebastian Schiek und Christa Zseby.


Am 21. Februar erhielt Pfarrer Joachim Ritzkowsky für sein Engagement in der Obdachlosenarbeit den Ingeborg-Drewitz-Preis der HU Berlin. Ein Bericht dazu steht in dieser Ausgabe der Mitteilungen.


Auch auf anderer Ebene war der Landesverband wieder politisch tätig: In einem Brief an den Innenminister haben wir die Aufgabe der Vorbehalte gegen die Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention gefordert, um den Schutz und die Versorgung minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland zu verbessern. Angesichts steigender Selbstmordzahlen in der Berliner Untersuchungshaftanstalt haben wir uns mit der dringenden Bitte um eine Verbesserung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt an den Regierenden Bürgermeister von Berlin gewandt. Unser Engagement in Sachen Haftbedingungen und Gefangenenrechte führte auch dazu, dass uns die Senatsverwaltung zusammen mit amnesty international um eine Überprüfung der Vorwürfe bat, die im Zuge der Isolation und Ruhigstellung eines Gefangenen aufgetaucht sind. Bei einer Besichtigung in der JVA und Gesprächen mit den Gefangenen, die den Beamten eine Mißhandlung des revoltierenden Insassen vorgeworfen hatten, konnten wir diese Vorwürfe weder bestätigen noch entkräften, hatten aber zumindest den Eindruck, daß die Anstaltsleitung intensiv um eine Lösung des Konflikts bemüht war.


Zu aktuellen Diskussionen und zur Vorbereitung der nächsten Veranstaltungen laden wir alle Mitglieder und Interessierten zu unseren öffentlichen Vorstandssitzungen ein. Die Sitzungen finden alle zwei Wochen donnerstags um 18.30 Uhr statt. Für weitere Nachfragen und Termine ist die Landesgeschäftsstelle im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4 in 10405 Berlin (Tel. 204 2504) dienstags 9-14 Uhr und donnerstags 16-20 Uhr zu erreichen.
Übrigens: Die HU Berlin ist jetzt auch über eine eigene E-Mail-Adresse erreichbar, diese lautet: hu_berlin@humanistische-union.de

 

nach oben