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HU-BB-­Ge­sprä­che: Was kann und soll die Unabhängige Polizei­be­auf­tragte für Berlin leisten?

05. August 2020

Als SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen 2016 ihren Koalitionsvertrag „Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen.“ vorstellten, lobte die Humanistische Union Berlin-Brandenburg die vielen guten bürgerrechtlichen Projekte. Seitdem herrschte in der Innenpolitik ein Stillstand, der erst vor wenigen Wochen durch die Präsentation von Änderungen im ASOG (dem Berliner Polizeigesetz), eines Versammlungsfreiheitsgesetz und der Stelle einer unabhängigen Polizeibeauftragten aufgelöst wurde.

In den kommenden Wochen will der HU-Landesverband Berlin-Brandenburg diese Gesetzesvorschläge kritisch diskutieren.

Über den Gesetzesentwurf zur Unabhängigen Polizeibeauftragten unterhalten wir uns

am Mittwoch, den 5. August 2020,

um 18.00 Uhr

in https://vk1.minuskel.de/b/axe-2pm-3p7

mit

Benedikt Lux (Sprecher für Inneres der Abgeordnetenhausfraktion von Bündnis 90/Die Grünen)

Norbert Cioma (Landesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei – Landesverband Berlin)

Lukas Theune (Rechtsanwalt, Geschäftsführer RAV)

Seit Jahren fordern Bürgerrechtler und der UN-Menschenrechtsrat eine unabhängige Kontrolle der Polizei. Eine Polizeibeauftragte, die sich um Fälle von Polizeigewalt, ungerechtfertigten Kontrollen und allen Arten polizeilichen Fehlverhaltens kümmert, könnte das tun. Sie soll die Rechte der Betroffenen gegenüber der Polizei wahrnehmen. Sie soll aber auch, wie die Wehrbeauftragte, ein Ansprechpartner für Polizisten sein, die Probleme mit ihren Vorgesetzten haben. Sie soll Strukturveränderungen vorschlagen, bei Konflikten vermitteln und zu einer besseren, transparenteren und bürgernäheren Polizei beitragen. Bisherige Erfahrungen mit Polizeibeauftragten stimmen hoffnungsfroh, dass sie die hohen Erwartungen erfüllen und Bedenken gegen das Amt ausräumen kann

Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf will die Regierungskoalition in Berlin eine Bürger- und Polizeibeauftragte schaffen. Welche Bedenken gegenüber dieser Beauftragten gibt aus der Polizei? Genügt der Gesetzentwurf bürgerrechtlichen Forderungen?

Benedikt Lux (Bündnis 90/Die Grünen): „Um das Vertrauen in den funktionierenden Rechtsstaat zu erhöhen, wollen wir den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses stärken und eine*n unabhängige*n – nur dem Abgeordnetenhaus verpflichtete*n – Beauftragte*n für Bürger*innen- und Polizeiangelegenheiten einrichten.

Ziel ist es, das Vertrauen von Berliner*innen in die Behörden zu stärken und das Verhältnis zu verbessern. Daher handelt es sich auch um eine an das Parlament angesiedelte Stelle. Jede Person kann sich an die oder den Beauftragten wenden und ein Fehlverhalten der öffentlichen Verwaltung geltend machen. Damit setzt die rot-rot-grüne Koalition eines ihrer zentralen innenpolitischen Versprechen um.

Konflikte können so zwar nicht vermieden, aber Wege für eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Der oder die Bürger*innen- und Polizeibeauftragte ist auch ein*e Beauftragte*r für die Polizeidienstkräfte und die Mitarbeiter*innen der Verwaltung. Diese können sich ebenfalls mit Beschwerden und persönlichen oder strukturellen Anliegen an diese*n wenden. Beispiele wie die Affäre um die vergifteten Schießstände oder die Vorgänge in der Polizeiakademie zeigen, dass Beschwerden außerhalb des Dienstwegs eine gute Alternative sein können.

Dies ist auch vertraulich möglich. Die Frist dafür beträgt drei Monate nach Beendigung der Maßnahme. Die oder der Polizeibeauftragte kann auch eigenständig tätig werden, etwa bei Fehlverhalten, das in den Medien bekannt geworden ist. Sie oder er prüft dann den Sachverhalt, hat dazu Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte und kann Dienststellen besuchen. Nur bei schwebenden Gerichts- und Disziplinarverfahren und einem laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss muss sie oder er über den Innensenator gehen.“

Norbert Cioma (GdP): „Wir stehen dem Konzept einer solchen Institution offen gegenüber, aber die Ausgestaltung ist entscheidend. Die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern zeigen, dass eine solche Stelle positive, aber auch negative Aspekte mit sich bringen kann, es auch an den einzelnen Personen liegt. Insofern ist es unersetzlich, dass sich polizeiliche Expertise bei einer/m/s Bürger- und Polizeibeauftragten wiederfindet. Auch jemand mit Polizeibezug in leitender Funktion ist denkbar.

Die Bezeichnung symbolisiert Misstrauen gegenüber meinen Kollegen und ich glaube kaum, dass es demnächst Beauftragte für die Justiz, die Feuerwehr oder das Schulwesen geben wird. Die Einreichfrist für Beschwerden sollte ausgedehnt werden, die Ausformulierung sollte im Jahr 2020 auch Diversität beachten, um hier niemanden zu diskriminieren. Es wäre sehr ratsam, dass die Institution auch das Recht bekommt, dem Parlament auf eigenen Wunsch zu berichten und nicht nur auf Anfrage.“

Lukas Theune (RAV): „Die Einführung der oder des Beauftragten für Bürger*innen und die Polizei ist grundsätzlich zu unterstützen.

Seit Jahren fordern Menschen- und Bürger*innenrechtsorganisationen die Etablierung von unabhängigen Ermittlungsstellen, die Vorwürfe rechtswidriger Polizeigewalt effektiv aufklären und sanktionieren können. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, der Menschenrechtskommissar des Europarates und der UN-Folterausschuss haben die fehlende Unabhängigkeit und in der Folge auch mangelnde Effektivität der Aufklärung von Polizeigewalts-Vorwürfen in Deutschland kritisiert.

Der vorliegende Gesetzentwurf bringt insoweit eine Verbesserung, dass eine Institution geschaffen wird, die sich solchen Vorwürfen annehmen kann und organisatorisch von der Polizeibehörde getrennt ist. Zu begrüßen ist auch, dass diese Institution mit eigenen Ermittlungskompetenzen ausgerüstet ist. Es muss sicher gestellt werden, dass die Beauftragte genügend Mittel erhält, damit sie ihren gesamten Aufgabenbereich effektiv bearbeiten kann.

Bei der Aufklärung von Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens, das die Schwelle strafbaren Verhaltens überschreitet, muss nachbessert werden. Im Entwurf wird ihre Aufklärungskompetenz genau dann begrenzt, wenn die Vorwürfe von strafrechtlicher Relevanz sind.“

Vorschau

Das Gespräch zum Versammlungsfreiheitsgesetz ist am Dienstag, den 18. August, um 18.00 Uhr mit Sebastian Schlüsselburg (MdA, Linke), Burkard Dregger (MdA, CDU), Stephan Kelm (stellvertretender Landesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei) und Michèle Winkler (Referentin, Komitee für Grundrechte und Demokratie).

Weitere Informationen folgen.

Rückschau

Das Gespräch mit Frank Zimmermann (MdA, SPD), Burkard Dregger (MdA, CDU) und Benjamin Jendro (GdP) zur ASOG-Reform kann hier angesehen werden:

Weiterführende Informationen

Abgeordnetenhaus: Gesetzesvorschlag der Regierung: Gesetz zur Einführung des oder der Bürgerbeauftragten des Landes Berlin und des oder der Beauftragten für die Polizei Berlin (Drucksache 18/2426 vom 21. Januar 2020): https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-2426.pdf

Homepage von Benedikt Lux: https://www.bene-lux.de/

Homepage RAV: https://www.rav.de/start/

Homepage der Gewerkschaft der Polizei, Landesverband Berlin: https://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/home_de

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