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Stellung­nahme zur Anhörung über die Änderung des ASOG Berlin

05. September 2002
Gliederung

I. Technologie, Ausbreitung und Risiken der Videoüberwachung

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Einsatz der Videoüberwachung

III. Folgerungen für den vorliegenden Entwurf eines § 24a ASOG

Zusammenfassung

Die moderne Videoüberwachungstechnologie wirft in ihrer Funktionsweise die typischen, vom Schutzprogramm des Datenschutzes abgedeckten Risiken für das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht auf.

Darüber hinaus breitet sie sich derzeit in Berlin und weltweit in rasantem Tempo aus. Rechtlich wirksame Vorkehrungen gegen eine in Deutschland unzulässige flächendeckende Überwachung bestehen bislang nicht.

Die Geeignetheit der Videoüberwachung als Instrument wirksamer Kriminalprävention ist nach jüngsten Untersuchungen äußerst fragwürdig. Dagegen stellt sie einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Denn die Betroffenen können durch eigenes Verhalten dem mit der Videoüberwachung verbundenen Eingriff im überwachten Bereich nicht entgehen. Stattdessen bewirkt die ständige Präsenz der Kameras einen Überwachungsdruck, der die Betroffenen in ihren Persönlichkeitsrechten beschränkt und normkonformes Verhalten erzwingt.

Gegen den Einsatz der Videotechnik zur Kriminalprävention bestehen bereits kompetenzielle Bedenken. Denn als im wesentlichen repressiv wirksam werdende Maßnahme unterfällt die Videoüberwachung der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes.

Die polizeiliche Videoüberwachung gefährdeter Objekte begegnet angesichts der Miterfassung öffentlicher Räume denselben schwerwiegenden Bedenken wie die Videoüberwachung öffentlicher Orte. Sie kann daher allenfalls in den von Verfassung und Rechtsprechung gezogenen engen Grenzen in begrenzten Ausnahmefällen legitimiert werden.

I. Technologie, Ausbreitung und Risiken der Video­über­wa­chung

1. Video­über­wa­chungs­tech­no­logie

Bei der Videoüberwachung ist zu differenzieren zwischen Systemen der bloßen Bildübertragung von einem Ort zum anderen mittels Kamera auf einen Monitor (daher Kamera-Monitor-Prinzip genannt) sowie dem automatischen Festhalten des Bildes auf einem Bildträger (Bildaufzeichnung). Zwischen dem zu beobachtenden Objekt/Personen und dem Beobachter bzw. dem Standort einer direkten automatischen Auswertung kann nahezu jede beliebige Entfernung liegen, ohne dass dies die Live-Schaltung der Beobachtung oder Auswertung wesentlich beeinträchtigt. Technisch problemlos realisierbar sind heute Überwachungssysteme, die mit einer Verzögerungsspule versehen, in der Lage sind, auf Knopfdruck durch den Verantwortlichen aufzuzeichnen. Dabei werden die Aufnahmen zum Beispiel der zurückliegenden Stunde ebenfalls mit aufgezeichnet. Ansonsten löschen sich die Aufnahmebänder in regelmäßigen Abständen vollautomatisch.

Die heute verwandte digitale Kameratechnik ist anschlussfähig an vorhandene Netzwerke und Kommunikationsinfrastrukturen, sofern hinreichende Bildübertragungskapazitäten bestehen. Videoaufnahmen können daher – wie andere Daten auch – ohne weiteres direkt in Netze, etwa das Internet, eingespeist werden. Dies erlaubt es, auf einfache Art und Weise einem beliebig großen Adressatenkreis Aufnahmen von Personen zur Kenntnis zu geben. Die einmal eingestellten Bilder können dann unkontrollierbar kopiert werden und sind auf diese Weise der weiteren Verfügungsmacht ihres Urhebers entzogen. Die Übertragungswege von Bilddaten sind ebenso manipulierbar wie jeder andere Datenübertragungsweg. Es ist bekannt, dass auch bereits Videoüberwachungssysteme „gehackt“ werden konnten, das heißt dem Zugriff unberechtigter Dritter offen standen, die sich auf elektronischem Wege Zugang verschafft hatten.

2. Ausbreitung weltweit

Sowohl die private (kommerzielle) als auch die hoheitliche (öffentliche) Videoüberwachung breitet sich weltweit rasant aus. Einer kürzlich veröffentlichten Studie einer US-amerikanischen Unternehmensberatung zufolge wird – weltweit – mit einem Umsatzzuwachs von derzeit 4,66 Milliarden US-Dollar auf 10,61 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 gerechnet. Für Europa allein rechnet man mit einer Steigerung von 1.95 Milliarden Dollar im Jahr 2001 auf 3,82 Milliarden im Jahr 2008. Besondere Zuwachsraten verspricht man sich durch laufende Produktinnovationen wie Gesichtserkennungssysteme, die aber derzeit aufgrund zu hoher Fehlerquoten als noch nicht marktreif gelten. Britische Schätzungen gehen von ca. 25 Millionen im Einsatz befindlichen Videoüberwachungssystemen weltweit aus. Das Vereinigte Königreich gilt als führend, was die umfassende Videoüberwachung öffentlicher Räume selbst in mittlerweile kleineren Dörfern und ländlichen Gegenden angeht.

Videoüberwachung ist die Industrialisierung der Observation – erhältlich für jedermann. Stecknadelkopfgrosse Minikameras sind auch für Privatpersonen jederzeit im Kaufhaus preisgünstig erhältlich.

3. Ausbreitung des Video­über­wa­chungs­ein­satzes in Berlin

Die Bundeshauptstadt Berlin ist die am dichtesten mit Sicherheitskräften bevölkerte Stadt Deutschlands. Sie verfügt ferner bereits heute über einen unübersichtlichen Flickenteppich von durch unterschiedliche Akteure videoüberwachten Räumen: öffentliche Versammlungen werden auf der Grundlage der § § 12a, 19a Versammlungsgesetz von den sog. Beweissicherungstrupps der Schutzpolizei videoüberwacht. Die personengenaue Kameraüberwachung der Ereignisse rund um den 1. Mai wird unter anderem per Helikopter aus der Luft durchgeführt. Die Verkehrsregelungszentrale des zentralen Verkehrsdienstes der Stadt betreibt 90 Kameras, deren Bilder überwiegend der größeren Verkehrstunnel im Stadtgebiet in der Zentrale zusammenlaufen. Diese Bilder erlauben allerdings keine personenbeziehbaren Nahaufnahmen sondern zielen auf einen Gesamtüberblick. Ca. 13 fest installierte Radarfallen im Stadtgebiet gehören ebenfalls zum verhältnismäßig gering videoüberwachten, umfangreichen Straßengebiet Berlins.

Die Lage des Gebäudeschutzes liefert ein anderes Bild, fortgeschritteneres Bild. Die Berliner Innenstadt etwa wird im Bereich Friedrichstraße/Unter den Linden nahezu umfassend videoüberwacht. Kameras, die Geschäftsräume, aber auch Eingangsbereiche von Geschäftsräumen und Fußgängerwege miterfassen, sind offenbar bereits eine bauplanerische Selbstverständlichkeit in den neu errichteten Innenstadtbereichen. Zahlreiche privatisierte Einkaufs- oder Vergnügungspassagenbereiche wie zum Beispiel das Sony Center am Potsdamer Platz werden diskret totalüberwacht.

Die von Kameras bewachten öffentlichen Einrichtungen der Stadt Berlin nehmen sich dagegen in der Anzahl gering aus: hier wurden auf eine Anfrage der PDS-Fraktion hin lediglich 12 öffentliche Gebäude genannt.

Die vom Zentrum für Objektschutz beim Landeskriminalamt personalintensiv bewachten Objekte belaufen sich dagegen auf über 500, davon offenbar aber bislang nur einige wenige mit Hilfe von Videotechnik. Nach einer parlamentarischen Anfrage der PDS gibt es 1.477 Kameras bundesweit, die öffentliche Gebäude des Bundes überwachen, die Mehrzahl davon in Berlin. Die ca. 10 qkm des Regierungsbezirks werden von einer gemeinsamen Leitstelle von BGS und Landespolizeikräften wohl nahezu umfassend videoüberwacht.

Von besonderer Dynamik ist die Ausbreitung der Videoüberwachung im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel. Die Bahnhöfe der Deutsche Bahn AG werden im Rahmen des sog. 3-S-Konzepts (Sauberkeit, Sicherheit, Service) heute umfassend überwacht. Der neu erbaute Ostbahnhof allein verfügt über 70 Kamera-Systeme, die auch den gesamten öffentlichen Bahnhofsvorbereich erfassen. Die BVG verfügt seit Mai diesen Jahres über 201 Kameras der Zugfahrerselbstabfertigung an unterschiedlichen Wagen im Stadtgebiet. Zur Verhinderung von Sachbeschädigungen sind seit 2001 ca. 100 U-Bahn Waggons, 50 Busse und 30 Straßenbahnen ebenfalls mit Kameras in den Fahrgasträumen ausgestattet. Die auf einem Monitor beim Fahrer eintreffenden Bilder geben diesem die Möglichkeit, bei Zwischenfällen eine gesonderte Aufzeichnung vorzunehmen. Ansonsten werden die Bänder alle 24 Stunden gelöscht. Zahlreiche Taxis machen heute wie selbstverständlich Aufnahmen der bei ihnen einsteigenden Fahrgäste. Auch die Humboldt-Universität ist mit 50 Kamerasystemen ausgerüstet.

Ein weiterer Ausbau der Überwachung im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel ist Gegenstand aktueller Planungen.

Dieser kurze Überblick verdeutlicht die innerhalb weniger Jahre auch in Berlin entstandene Dynamik der Ausbreitung von Videoüberwachungen. In bestimmten Bereichen der Stadt (Innenstadt; öffentliche Verkehrsmittel und Bahnhöfe) nähert auch Berlin sich in rasantem Tempo einer in der Tendenz flächendeckenden Überwachung, wie sie vor kurzem noch für unmöglich gehalten wurde. Eine dieses Geschehen dokumentierende oder gar steuernde Instanz fehlt.

Es kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass auch auf Berlin und Deutschland insgesamt ein den britischen Verhältnissen vergleichbarer Dominoeffekt zukommt. Mit zunehmender inselartiger Ausbreitung von einzelnen, für sich betrachtet im Einzelfall noch nachvollziehbaren Überwachungen können Sachzwänge zur Erfassung vormals unüberwachter Bereiche entstehen. Das Phänomen der Verdrängung von Kriminalität und von sozialen Problemgruppen aus videoüberwachten Bereichen führt zu kriminalpräventiven Handlungszwängen in bislang als unproblematisch angesehenen Stadtgebieten.

4. Besondere Risiken der Video­über­wa­chung gegenüber anderen Daten­er­he­bungs­me­thoden

  • Die Videoüberwachung gehört zu den rechtlich problematischen, weil potentiell „Jedermann“ betreffenden Ermittlungsinstrumenten wie Rasterfahndung, Schleierfahndung, IMSI-Catcher, Abhören des Fernmeldeverkehrs nach dem sog. Staubsaugerverfahren des G-10-Gesetzes. Der Freiheitsanspruch des Einzelnen aber verlangt, von Maßnahmen verschont zu bleiben, die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsguts oder durch eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind. Eine nach klassischen polizeirechtlichen und liberalstaatlichen Rechtsgrundsätzen an sich erforderliche Beschränkung von Maßnahmen allein auf die konkrete Gefahren verursachenden Störer oder konkret Tatverdächtige ist bei diesen Einsatzkonzepten und Technologien nicht mehr berücksichtigt. Stattdessen handelt es sich um eine typische Erhebungsmaßnahme im rechtlich umstrittenen und dogmatisch völlig ungesicherten polizeilichen Aufgabenbereich der sogenannten Gefahrenvorsorge. Polizeiliches Handeln im Bereich der Gefahrenvorsorge bzw. Gefahrenverhütung führt zunehmend zu Rechtsunsicherheiten, da hier eine mit dem klassischen Polizeirecht oder anderen eingriffsintensiven Rechtsgebieten korrespondierende, potentiell grundrechtsschützende Dogmatik bislang nicht entwickelt werden konnte.
  • Videoüberwachung birgt die Gefahr der Schaffung einer bleibenden und aufgrund von wachsenden Sachzwängen kaum noch zu beseitigenden technischen Überwachungsinfrastruktur. So führte in Leipzig die Beendigung der ersten, bereits 1996 begonnenen Pilotprojektphase der Überwachung öffentlicher Orte nach Auffassung der Polizei zu einem erneuten, im Vergleich zum überwachten Zeitraum überdurchschnittlichen Anstieg der Straftaten. Auf der Grundlage dieser Argumentation wurden dann die zahlreichen zeitlichen Verlängerungen des bis heute andauernden Projekts genehmigt.
  • Die entstehende Überwachungsinfrastruktur trägt den Keim der Ausbreitung in sich. Die allgemein angenommenen Verdrängungseffekte führen zu Forderungen der angrenzenden Stadtgebiete, ebenfalls mit Videoüberwachung beschützt zu werden.
  • Darüber hinaus steht die Videoüberwachung in einem tendenziellen Widerspruch zum verfassungsrechtlich zwingend zu beachtenden Zweckbindungsprinzip des Datenschutzes bei der Erhebung von Daten: die Fülle der mit einer Bildaufnahme transportierten Daten und Informationen lässt sich – im Gegensatz etwa zum einzelnen Dateneingabefeld auf die unterschiedlichsten Zwecke beziehen. So werden regelmäßig Informationen über Körpersprache, Hautfarbe oder Hinweise auf die Religionszugehörigkeit (Kopftuch) miterhoben, ohne dass dies für den konkreten Zweck einer Überwachung erforderlich ist.
  • Videobilder sind im Gegensatz zur Schrift in besonders hohem Maße unterschiedlich ausdeutbar und interpretationsfähig. Bilder bergen in ihrer Ausdeutbarkeit daher auch ein hohes Risiko von Fehlinterpretationen zu Lasten der von ihr Betroffenen.
  • Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen ferner, dass der Umgang mit den Kamerabildern Vorurteilsstrukturen zu befördern geeignet ist: so werden in England von verantwortlichen Überwachern überdurchschnittlich viele Ausländer ins Visier genommen. Frauen dagegen werden überwiegend aus voyeuristischer Neugierde beobachtet.
  • Die heute ohne weiteres realisierbare Unsichtbarkeit der Videoüberwachung aufgrund verbesserter Tarnbarkeit und Miniaturisierung der Kameratechnik sowie der im Gegensatz zu anderen, tendenziell vergleichbaren Erhebungsmethoden wie etwa der Schleierfahndung nicht mehr erforderliche, unmittelbare Verhaltenseingriff kann die Betroffenen ganz besonders in der Wahrnehmbarkeit ihrer Grundrechte beinträchtigen. Daher sind Videoüberwachungen deutlich wahrnehmbar auszuschildern.

5. Erfahrungen mit dem Einsatz der Video­über­wa­chung

Die vor wenigen Tagen veröffentlichte und erste umfassende, vom Home Secretary in Auftrag gegebene Studie zu den kriminalpräventiven Wirkungen der Videoüberwachung in England kommt zu ernüchternden Ergebnissen. Das genaue Studium der britischen Erfahrungen sollte rechtzeitig den Nachvollzug britischer Fehlentwicklungen bei uns vermeiden helfen. Kernaussage des Berichts ist, dass selbst in Gegenden mit intensivster und unter erheblichem finanziellen Aufwand errichteter Videoüberwachung nur ein ganz geringer Rückgang der Straftaten zu verzeichnen war. So sank die Quote der Sachbeschädigungen und der Diebstähle von Autos in Stadtgebieten allenfalls um zwei Prozent, während Auswirkungen auf Gewalttaten überhaupt nicht zu verzeichnen waren. Allein auf überwachten Parkplätzen konnte ein signifikanter Rückgang von Diebstahltaten nachgewiesen werden.

Es existieren in Deutschland keinerlei seriöse wissenschaftliche Studien, die eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage durch vorgeblich präventive oder repressive Wirkungen der Videoüberwachung belegen könnten. Weder die bereits seit 1996 andauernde polizeiliche Videoüberwachung in Leipzig noch die seit 2000 in Regensburg begonnene Überwachung sind einer unabhängigen wissenschaftlichen Evaluierung zugeführt worden. Auch für Brandenburg bestehen diesbezüglich keine konkreten Absichten. Die zu diesen Projekten veröffentlichten Ergebnisse vermeintlicher Kriminalitätsreduktion stammen vielmehr von den verantwortlichen Polizeieinheiten vor Ort.

Aus Brandenburg, wo mittlerweile einige Örtlichkeiten eher dörflichen Charakters überwacht werden, häufen sich die kritischen Stimmen gerade der für die Durchführung selbst verantwortlichen Polizeibeamten. Die Kosten des insbesondere von Minister Schönbohm durchgesetzten Projekts sollen sich bis 2006 auf weit über fünf Millionen Euro summieren. Die Beamten sprechen teilweise von den „bestüberwachten Fahrradparkplätzen der Republik.“

Die Kosten einer gesetzmäßig durchgeführten, wenigstens im Ansatz kriminalpräventiv effektiv wirkenden sind ganz erheblich. Dabei sind Kosten nicht allein für die Anschaffung der Kameraanlagen, sondern auch für die Computer- und Steuerungstechnik, Netzwerktechnik sowie die Personalkosten für die Überwachung selbst in Rechnung zu stellen. Ferner müssen innerhalb kürzester Zeit reaktionsfähige und am Einsatzort tatsächlich eintreffende Polizeikräfte auch weiterhin bereit gehalten bleiben.

II. Verfas­sungs­recht­liche Vorgaben für den Einsatz der Video­über­wa­chung

Videoüberwachung stellt in praktisch allen ihren heute zum Einsatz kommenden Formen zumindest einen Eingriff in das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erst unlängst wieder deutlich bestätigte und in ständiger Rechtsprechung in seiner besonderen Bedeutung betonte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG dar. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird selbst für Übersichtsaufnahmen (zunächst ohne konkreten Personenbezug) sowie für Bildübertragungen ohne Aufzeichnung nach dem Kamera-Monitor-Prinzip mittlerweile einen Eingriff in das Grundrecht bejaht. Diese Auffassung kann sich auf die insoweit unzweideutigen Ausführungen des BVerfG im 65. Band, S. 1 ff.(Volkszählungsurteil) berufen. Danach gilt nach wie vor:

Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden…Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Die Videoüberwachung stellt damit geradezu das klassische Beispiel einer aus der Sicht des betroffenen Bürgers potentiell bedrohlichen, weil nicht hinreichend überschaubaren Überwachungstechnik dar, die ihn damit in seinem Recht auf Selbstbestimmung betrifft.

Die Möglichkeit weitestgehend anlassloser Videoüberwachung verschiebt die durch Grundrechte als Abwehrrechte erzeugte Machtbalance von Individuum und Staat zu Ungunsten des Individuums, da es durch Verhalten, nämlich Anlassvermeidung, staatliche Eingriffe nicht mehr ausschließen kann: wer vor Ort ist, wird eben gefilmt bzw. beobachtet – ob sie oder er das möchte oder nicht spielt eben keine Rolle.

Betroffene können auch nicht wissen, welche und wie viele Personen am Monitor die übertragenen Bilder zu welchem Zweck betrachten, ob diese aufgezeichnet oder weitergeleitet, ob überhaupt und wann sie wieder gelöscht werden. Die durch einen sich aufbauenden Überwachungsdruck ggf. ausgelöste Verunsicherung ist deshalb grundrechtsrelevant, weil sie verhaltensanpassende Wirkungen bewirken kann, wie sie ein demokratischer Rechtstaat allenfalls aufgrund einer ausdrücklichen, demokratisch herbeigeführten gesetzgeberischen Entscheidung hervorrufen darf. Diese gesetzliche Grundlage muss insbesondere den verfassungsrechtlichen Konkretisierungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen.

Ein demokratisches Gemeinwesen lebt von der freien Entfaltung der Persönlichkeit, der offenen und unbefangenen Kommunikation selbstverständlich auch und gerade im öffentlichen Raum, dem klassischen Ort öffentlicher Begegnung und demokratischer Kommunikation. Freie und offene demokratische Gesellschaften geraten damit – gerade auch mit der offen sichtbaren Ausbreitung der Videoüberwachung – in einen kaum begründbaren Selbstwiderspruch zu den ansonsten für handlungsleitend erklärten eigenen Werten. Das BVerfG hat in seinem Volkszählungsurteil vom Gesetzgeber verlangt, sich schützend für diese Allgemeinwohlfunktion des Persönlichkeitsrechts einzutreten. Auch dieser objektiv-rechtliche Gehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bindet und beschränkt den einfachgesetzlichen (Landes-)Gesetzgeber.

Hervorzuheben ist ferner, dass das BVerfG in einer neueren Entscheidung den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz persönlicher Autonomie und der Privatsphäre vor systematischer Ausspähung ausdrücklich auch in öffentlichen, den Blicken der Allgemeinheit grundsätzlich preisgegebenen Räumen mit deutlichen Worten unterstrichen hat.

Auch das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Artikel 11 GG ist von der Videoüberwachung mitbetroffen, weil es nicht nur die Möglichkeit gewährt, sich frei zu bewegen, sondern auch, dass dies nicht festgehalten und später den Grundrechtsträgern entgegengehalten wird, wie zu Recht der Berliner Datenschutzbeauftragte betont hat. Werden durch Videobeobachtungen Kommunikationsdaten (z.B. Telephonzelle) miterfasst, so wird nach neuester Rechtsprechung ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 GG zu prüfen sein. Dasselbe gilt für Kameras, die von außen Privat- oder Geschäftsräume erfassen: hier ist ein Eingriff in Artikel 13 GG zugrundezulegen.

Schließlich muss die vom BVerfG ausdrücklich hergestellte Verbindung zwischen dem hier einschlägigen Persönlichkeitsrecht und Artikel 1 Abs. 1 GG erinnert werden: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Der unter Juristen unumstrittene Aussagegehalt dieses obersten Verfassungsgebots des Gemeinwesens ist die bekannte Objektformel Dürigs, wonach „Menschen nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt“ werden dürften. Vor dem Hintergrund einer sich zur flächendeckenden Prävention ausbreitenden, allgemeinen Infrastruktur der Alltagsüberwachung, deren generalpräventive, auf Abschreckung lediglich einzelner zielende Ausrichtung als Nebenwirkung jeden Bürger zum potentiellen Risikoobjekt stilisiert, bedarf es einer ausdrücklichen Berücksichtigung dieser auch dem Artikel 2 Abs.1 GG die zentrale Richtung gebenden Auslegungsvorgabe.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann selbstverständlich- in rechtstaatlich angemessener Art und Weise – gesetzgeberische Einschränkungen erfahren. Dabei bedarf es jedoch einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Rechtsgrundlage, die normenklar und hinreichend bestimmt, im überwiegenden Allgemeininteresse verhältnismäßige Einschränkungen vorzunehmen geeignet ist. An diesen Vorgaben ist die vorgelegte, einfachgesetzliche Entwurfsfassung des Senats zu messen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Norm ist den besonderen Risiken der Videoüberwachung hinreichend Rechnung zu tragen.

III. Folgerungen für den vorlie­genden Gesetz­ent­wurf eines § 24a ASOG

Nach dem oben Gesagten begegnet die vorgelegte Entwurfsfassung in einer Reihe von Punkten erheblichen Bedenken.

Die Maßnahme der Videoüberwachung in den öffentlichen Raum hinein bewegt sich – bei rein systematischer Betrachtung – zwischen der Identitätsfeststellung einerseits sowie den anlasslosen Personenkontrollen („Schleierfahndung“ bzw. lagebildabhängige Kontrollen) andererseits. Sie weist jedoch besondere Risiken (siehe u.a. oben II.4) auf, die einer eigenen Berücksichtigung bedürfen.

Einig ist man sich in der bundesdeutschen Diskussion, dass eine der englischen Situation vergleichbare flächendeckende Videoüberwachung in Deutschland in jedem Fall unzulässig wäre. Die mit Sicherheit einfachste Maßnahme, um eine Entwicklung in diese Richtung zu verhindern, sind eng gefasste, die Videoüberwachung nur in Ausnahmefällen gestattende Eingriffsnormen.

1. Zur Gesetzesbegründung der Entwurfsfassung

Der Gesetzesbegründung kommt im Hinblick auf die Normauslegung gerade in der Anfangsphase einer neuen Neuregelung eine hohe Bedeutung zu. Daher bedürfen auch die Begründungen zu § 24a ASOG-E einer kritischen Überprüfung.

a. Gesetzgebungskompetenz

Der Gesetzentwurf trennt nicht hinreichend deutlich zwischen dem Verarbeitungsschritt der Beobachtung (sog. bloße Datenerhebung) und der Aufzeichnung (Datenspeicherung). Es bestehen insoweit erhebliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin. Eine bloß der nachträglichen Straftatermittlung dienende Aufzeichnung dürfte in den Bereich der dem Bundesgesetzgeber zukommenden – repressiven – Regelungskompetenz des Strafprozessrechts fallen. Nicht gestützt werden kann diese Form der Vorratsdatenspeicherung auf das dogmatisch bislang völlig ungesicherte Aufgabenprogramm der sogenannten Strafverfolgungsvorsorge: weder wäre dann noch eine hinreichend klare Abgrenzung zur Strafverfolgung gegeben, noch würde die Erheblichkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht hinreichend berücksichtigt. Der bloße Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis aber verbietet sich – als die zentrale Erkenntnis eines rechtsstaatlich konzipierten Polizeirechts – auch im vorliegenden Fall.

Zulässig wäre daher allenfalls die reine Beobachtung der gefährdeten Objekte ohne (laufende) Aufzeichnung.

b. Krimi­nal­prä­ven­tives Gesamt­kon­zept

Als mögliche Wirkung der Videoüberwachung werden zum einen die potentiell abschreckende Wirkung auf mögliche Straftäter, zum anderen die Möglichkeit der schnellen Heranführung von polizeilichen Einsatzkräften an die überwachten Objekte zu präventivem Eingreifen genannt. Allenfalls der letztgenannten Begründung ist im wesentlichen zuzustimmen. Eine effektiv gestaltete, in Echtzeit durchgeführte Monitorüberwachung kann die schnelle Heranführung von Einsatzkräften an das gefährdete Objekt bewirken. Dann, aber auch nur dann handelt es sich um eine kriminalpräventive und damit originär dem Polizeirecht unterfallende Vorgehensweise. Die Videoüberwachung übernimmt dann die Funktion innerhalb eines präventiven Gesamtkonzepts. Nur auf dieser Grundlage bleibt auch die Abschreckungswirkung auf potentielle Straftäter aufrecht erhalten. Eine Drohung, der die angekündigte Maßnahme/Sanktion nicht auf dem Fuße folgt, führt ansonsten zur Entwertung der Wirkung der jeweils errichteten Videoanlage. Aus Coventry etwa ist aus Umfragen bekannt, dass Zwischenfälle im Umfeld videoüberwachter Bereiche, die ohne schnelle Reaktion seitens der Einsatzkräfte blieben, zu einer verbreiteten Annahme allgemeiner Wirkungslosigkeit der Überwachung geführt haben. Auf Seiten der Polizeiführung sollte ferner gesehen werden, dass die ansonsten zugunsten der Polizei eingreifende „Präventivwirkung des Nichtwissens“ entfällt, das heißt die Polizeiführung wird für jegliche Vorfälle im Umkreis einer Videoüberwachung aus Bürgersicht verschärft in die Haftung genommen. Gravierende Bedenken bleiben hinsichtlich der mangelnden Abschreckungswirkung auf professionell und organisiert vorgehende Täter: Diese werden sich zum Beispiel von dem unter einer Maskierung vorgenommenen Wurf eines Brandsatzes durch Videoüberwachungen nicht abhalten lassen. Ebensolches könnte für gezielt vorgenommene Sachbeschädigungen gelten.

c. Trink­was­ser­spei­cher

Die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich für miterfasst erachtete Videoüberwachung „natürlicher Trinkwasserspeicher“ übersteigt den durch die Norm zulässig erfassbaren Realbereich bei weitem. Soll es nicht zu einer uferlosen Ausweitung der Auslegung der Norm kommen, bedarf es einer einschränkenden Gesetzesformulierung. Zum einen handelt es sich bei „natürlichen Trinkwasserspeichern“ nach heutigem Sprachgebrauch um wohl nahezu alle der zahlreichen und flächenmäßig bedeutsamen Seen in und um den engeren Stadtbereich Berlins herum. Damit aber wäre der flächendeckenden Videoüberwachung in der Tat – zumindest auf normativer Ebene – Tür und Tor geöffnet. Zum anderen dürfte die der Einbeziehung von Trinkwasserspeichern zugrundeliegende Gefahreneinschätzung nicht den Anforderungen des geltenden Polizeirechts entsprechen: abstrakte Risikoanalysen, erstellt etwa im Gefolge von terroristischen Anschlägen, die sich nicht einmal bei internationaler Vergleichsbetrachtung auf einen einzigen erwiesenen Fall tatsächlicher Gefährdung des behaupteten Objekts (hier: Vergiftung von Trinkwasser) stützen können, reichen in jedem Fall für eine auch den öffentlichen Raum wie etwa Liegewiesen und Strandbäder miterfassende Videoüberwachung nicht aus.

2. Einzel­be­stim­mungen des vorgelegten Entwurfs

a. „andere Bauwerke von öffentlichem Interesse“ sowie „Straftaten“

Der gewählten Definition potentiell zu überwachender Objekte fehlt jegliche inhaltliche Einschränkung. Mit der vorliegenden Entwurfsfassung dürfte nahezu jedes Gebäude Berlins umfasst sein. Denn zumindest die Gefahr der Sachbeschädigung durch Vandalismus (etwa „Graffiti mit Substanzeinwirkung“) droht jedem Gebäude in jeder Stadt. Das öffentliche Interesse an einem Objekt ist ein dogmatisch ungesicherter Begriff, was auch durch die vorgenommene Aufzählung zum Ausdruck kommt. Die Definitionsherrschaft für die Ausfüllung des Begriffs liegt allein auf Seiten des Senats. Mit der Wahl und Beschränkung etwa auf diejenigen besonders gefährdeten Objekte, denen fremdenfeindliche oder rassistische Anschläge drohen, wäre der in Ansätzen auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen tatsächlichen Schutzintention des Gesetzgebers inhaltlich eingrenzbar Rechnung getragen.

Die Beobachtung sollte sich dementsprechend auf Straftaten beschränken, die im Zusammenhang mit solchen Anschlägen üblicherweise verwirklicht werden.

Bei einem im Ergebnis weiter gezogenen Objektbegriff, der nicht dem hiesigen Vorschlag folgt, sollte zumindest der Straftatenbegriff im Gegenzug auf erhebliche Straftaten, vergleiche den Gesetzesentwurf § 17 Abs. 3, sowie auf anschlagstypische Straftaten fremdenfeindlicher oder antisemitischer Übergriffe beschränkt werden.

b. Überschrift und „besonders gefährdetes Objekt“

Die gewählte Überschrift verlässt ohne Not die im Polizeirecht allgemein übliche und in der Auslegung einschränkend wirkende Bezugnahme auf „besonders gefährdete Objekte“. Hierdurch entsteht der Eindruck, es sei eine darüber hinausgehende Erfassung auch weniger gefährdet erscheinender Bereiche beabsichtigt. Der gewählte Allgemeinbegriff „Datenerhebung“ bringt den regulierten Realbereich aus Bürgersicht nicht hinreichend normenklar und bestimmt zum Ausdruck. Vielmehr handelt es sich hier um die in der öffentlichen Diskussion plastisch unter dem Begriff „Videoüberwachung“ bekannte Erhebungsmethode. Wenn überhaupt, sollte die Überschrift daher „Videoüberwachung besonders gefährdeter Objekte“ lauten.

Im Wortlaut des Absatzes 1 wäre ebenfalls „besonders“ zu ergänzen.

c. „oder den unmittelbar im Zusam­men­hang mit dem Objekt stehenden Grün- und Straßen­flä­chen“

Die gewählte Formulierung findet sich in keiner der anderen landespolizeilichen Bestimmungen. Auf diese Weise entsteht der Eindruck einer weiteren, grundsätzlich die angrenzenden öffentlichen Räume und Orte miteinbeziehenden Überwachung. Die Erfassung des Straßenraums rund um die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz (Religionsstätte?) ließe sich dann bei entsprechender Auslegung des „Unmittelbarkeitskriteriums,“ in Verbindung etwa mit der eine weite Auslegung unterstützenden Gesetzesbegründung, nach der vorliegenden Entwurfsfassung durchaus legitimieren. Dies entspricht jedoch inhaltlich weder dem letzten Satz der Gesetzesbegründung (eine Erfassung von Orten im Sinne von § 21 Abs. 3 wird nicht beabsichtigt), noch den politischen Erklärungen der beteiligten Regierungsparteien (keine Videoüberwachung öffentlicher Orte in Berlin), noch wären die weiteren Normvoraussetzungen für eine solche Erstreckung in der vorliegenden Entwurfsfassung gegeben. Im Polizeirecht anzutreffen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip hinreichend Rechnung tragend ist die Formulierung „und, soweit zur Zweckerreichung zwingend erforderlich, in unmittelbarer Nähe“. Auf diese Weise wird der Ausnahmecharakter einer in den öffentlichen Raum hineinreichenden, und damit tendenziell einer gesonderten gesetzgeberischen Legitimation bedürfenden Überwachung hinreichend verdeutlicht.

d. Aufzeich­nung ?

Dem Entwurf fehlt es an einer erkennbaren Abstufung zwischen der Eingriffsebene der Beobachtung und der einen eigene Grundrechtseingriff darstellenden Bildaufzeichnung. Dabei birgt die Aufzeichnung gegenüber der bloßen Beobachtung eine deutlich höhere Grundrechtsgefährdung, weil erst sie die Möglichkeit der Zusammenführung gespeicherter Einzelerkenntnisse sowie die Auswertung zu anderen als den ursprünglichen Zwecken erlaubt. Daher müsste, wenn überhaupt, klarstellend auf die „Unerlässlichkeit“ der Aufzeichnung Bezug genommen werden. Das genaue Procedere für die observierenden Beamten könnte in einer Verordnung festgelegt werden. Eine derart durchgeführte Videoüberwachung begegnet allerdings den oben bereits genannten, grundsätzlichen kompetenziellen Bedenken.

e. an oder in einem Objekt dieser Art

Mit der Formulierung „dieser Art“ wird der Nachweis einer Gefährdung des konkret zu schützenden Objekts zu weit gezogen. Andere Bundesländer haben sich daher für eine engere Definition entschieden. Je nach dem, ob man den Bezugrahmen weit genug wählt (vergleichbare Objekte dieser Art in Deutschland, Europa, weltweit) wird man dann im Ergebnis immer eine Gefährdung bejahen können. Daher bedarf es einer einschränkenden Gesetzesformulierung, die auf tatsächliche Geschehnisse und Erfahrungen zurückgreift.. Auf diese Weise könnte insbesondere dem laut Gesetzesbegründung gewollten Schutz gerade der tatsächlich gefährdeten jüdische Religionsstätten und Friedhöfe ,aber auch der Unterkünfte von Migranten und Asylbewerbern gezielt Rechnung getragen werden.

f. „tatsäch­liche Anhalts­punkte“

Nach herrschender Auffassung im Polizeirecht wird die Wendung „tatsächliche Anhaltspunkte“ weit verstanden. Auch bloße Indizien vermögen damit in der Summe eine Gefährdung hinreichend zu indizieren. Vor dem Hintergrund einer engen, die flächendeckende Ausbreitung der Videoüberwachung bereits im Ansatz begegnenden Fassung der Norm ist hier dem Begriff „Tatsachen“ der Vorzug gegeben. Tatsachen verweisen auf beweiskräftige Informationen, aus denen ohne weiteres und unmittelbar auf einen das polizeiliche Einschreiten begründenden Sachverhalt geschlossen werden kann.

g. § 24a Absatz 2 ASOG-E

Durch den Zusatz „durch Beschilderung deutlich kenntlich zu machen“ wird einer misslichen und insbesondere auch von Vertretern der Regierungskoalition auf Bundesebene gerügten Praxis fehlender Beschilderung vorgebeugt, die von Polizeiseite regelmäßig mit den vorgeblich deutlich sichtbaren Kameraanlagen begründet wird. Aus Gründen des Rechtsschutzes sollte auch die verantwortliche Stelle genannt werden. Dies entspricht auch einem u.a. von der PDS im Rahmen der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes eingebrachten Gesetzentwurf für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume ( § 6b BDSG).

h. § 24a Absatz 3 Satz 3 ASOG-E streichen

Für die Notwendigkeit der weiteren Verwendung von Bildaufnahmen, insbesondere der erweiterten Speicherung zu Aus- und Fortbildungszwecken, ist im Gesetzentwurf nichts dargetan. Zur Vermeidung von Zweifeln hinsichtlich der polizeilichen Speicherpraxis im Einzelfall sowie aus Gründen der Normenklarheit und Bestimmtheit sollte auf die Vorbehalte des Satzes 3 deshalb verzichtet werden. Auch Normenklarheit ist aus Sicht der Bürger ein Gewinn.

i. Parla­men­ta­ri­sche Kontrolle

Zur Gewährleistung hinreichender Transparenz bezüglich der Verbreitung polizeilicher Objektüberwachung sollte eine jährliche Berichtspflicht des Senats für Inneres an den Gesetzgeber in Erwägung gezogen werden. Darin wird auch über die der Aufrechterhaltung von Überwachungen zugrundeliegenden Gefährdungseinschätzungen berichtet.

Eine der Vorabkontrolle im novellierten Datenschutzrecht vergleichbare Regelung wäre ebenfalls anzustreben: angesichts der hohen Kosten und der regelmäßig auf eine erhebliche Dauer angelegten Installation der Kameraanlagen käme eine Vorabbefassung und Genehmigung von Installationen etwa durch den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses in Betracht.

3. Schluss­be­mer­kung

Videoüberwachung, egal in welcher Form sie tatsächlich zum Einsatz kommt, ist geeignet, das demokratische Klima zu beschädigen und allgemeine Verunsicherung zu erzeugen. Sie stellt überdies – bei rein individueller Betrachtung – einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar Die enorme Eigendynamik der Ausbreitung hat uns längst erreicht und führt bereits zu teilweise flächendeckend überwachten Bereichen auch in Berlin. Dabei ist die flächendeckende Videoüberwachung nach allgemeiner Auffassung in Deutschland unzulässig, weil völlig unverhältnismäßig. Der Nachweis einer kriminalpräventiven Wirkung von Videoüberwachung steht bis heute aus. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse bedarf die vorliegende Entwurfsfassung einer Revision, die den durch Verfassungsrecht und Rechtsprechung vorgegebenen engen Grenzen sowie den negativen gesellschaftlichen Folgen einer weiter um sich greifenden Videoüberwachung auch für den Bereich polizeilichen Objektschutzes hinreichend Rechnung trägt.

Die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union e.V. steht Ihnen gerne für weitere Informationen zum Thema „Videoüberwachung“ zur Verfügung.

Nils Leopold, LL.M.(Rechtsinformatik)
Rechtsanwalt
Bundesvorstand Humanistische Union e.V.

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