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Forderungen der HU zum Versamm­lungs­ge­setz Berlin

30. September 2015

Für die Humanistische Union ist das Recht, sich friedlich unter freiem Himmel zu versammeln und seine Meinung kundzutun, eines der elementaren Bürgerrechte. Deshalb sind wir gegen jede Gesetzesänderung, die dieses Recht auch nur gefährden könnte.

Bei künftigen Reformen des Versammlungsrechts muss mindestens das wegweisende Brokdorf-Urteil von 1985 beachtet werden und alles unterlassen werden, was Menschen davon abhalten könnte, an einer Demonstration teilzunehmen.

Insgesamt sollten Regeln und Vorschriften Demonstrationen möglichst wenig einschränken und sich auf das absolut notwendige Beschränken. So sind Anmeldungen bei Demonstrationen, die größer sind und auf Straßen stattfinden, sinnvoll, damit die Polizei einen reibungslosen Ablauf gewährleisten kann. Aber müssen deshalb auch Demonstrationen und Kundgebungen, die auf Plätzen stattfinden, vorher angemeldet werden?

Im folgenden wird der Stand der Debatte des Landesverbandes Berlin-Brandenburg hinsichtlich eines möglichen Berliner Versammlungsgesetzes skizziert. Denn seit der Föderalismusreform von 2006 können die Bundesländer ein eigenes Versammlungsgesetz beschließen. Bis dahin gilt das bundesdeutsche Versammlungsgesetz von 1953.

Als Deutschlands größte Stadt und Hauptstadt wird in Berlin besonders oft demonstriert, fast immer friedlich. Daher gibt es inzwischen Gepflogenheiten, die weitgehend begrüßenswert sind und auch nicht geändert werden müssen.

Letztes Jahr fügte der Senat dem Versammlungsgesetz die Übersichtsaufnahme bei Demonstration hinzu. Die HU sprach sich gegen diesen Paragraphen aus und begrüßte die Klage der Oppositionsfraktionen vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof dagegen. Am 11. April 2014 billigte das Gericht das Gesetz. Die HU zeigte sich enttäuscht vom Urteil.

In folgenden Punkten sieht die HU teilweise Klärungs- und teilweise gesetzgeberischen Reformbedarf:

Bannmeilen abschaffen – Schutzbereiche vor Botschaften verkleinern

Weil Berlin Landes- und Bundeshauptstadt ist, steht die Frage der Bannmeile nicht auf der Landes-, sondern auf der Bundesagenda. Denn die Bannmeile für das Abgeordnetenhaus überschneidet sich mit der Bannmeile des Finanzministeriums. Deshalb würde eine Abschaffung der Bannmeile um das Abgeordnetenhaus wenig bringen.

Davon abgesehen ist die HU für eine Abschaffung der Bannmeile. Demonstrierende sollten ihre Meinung in räumlicher Nähe zu dem Objekt ihrer Demonstration kundgeben können. Und wenn das Parlament zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden soll, sollte eine Demonstration gerade auch vor dem Parlament stattfinden können.

Auch vor Botschaften, Gedenkstätten und herausgehobenen Gebäuden sollten Schutzbereiche, falls überhaupt, möglichst klein sein.

One-Stop-Shop für Versammlungsanmeldungen

Derzeit ist es für Anmelder teilweise sehr schwierig, die richtigen Ansprechpartner in der Verwaltung für eine Anmeldung einer Demonstration oder Kundgebung (was eine stehende Demonstration ist) zu finden. Teilweise kann es sogar nötig sein, mehrere Anmeldungen zu tätigen, zum Beispiel für Sondernutzungen und Verkehrssperrungen.

Die HU ist daher für eine Website für Versammlungsanmeldungen, in der Ansprechpartner genannt werden und Formulare heruntergeladen werden können. Diese Homepage sollte, wie bei der Wirtschaft, die Funktion einer One-Stop-Agency übernehmen: die Anmelder müssen nur dort dieDaten zum Zeitpunkt und geplanten Verlauf der Demonstration eingeben. Die Verwaltung kümmert sich um alles weitere.

Allerdings sollten aus Sicht der HU Anmeldungen von Demonstrationen weitgehend überflüssig sein, weil hier Bürger eines ihrer fundamentalen Rechte wahrnehmen.

Eine Anmeldepflicht sollte sich daher auf die Fälle beschränken, in denen die Polizei Maßnahmen ergreifen muss, um den Demonstrationsablauf zu gewährleisten. Also wenn Straßensperrungen und Verkehrsumlenkungen nötig sind, oder wenn für eine Kundgebung eine Bühne aufgebaut wird. Dann liegt die Anmeldung auch im Interesse des Veranstalters.

Gegen überbordende Auflagen bei Anmeldung und verpflichtende Anmeldergespräche

Öfters sind Auflagen für Demonstrationen schwer nachvollziehbar. Es werden von der Verwaltung auch aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen Demonstrationsrouten geändert und manchmal wird die Versammlung auch verboten.

Die HU spricht sich für ein Minimum an Eingriffen der Verwaltung gegenüber den Anmeldenden aus. D. h. die geplante Route sollte nur im äußersten Notfall (wenn es zum Beispiel zur gleichen Zeit am gleichen Ort bereits eine Veranstaltung gibt), in Abstimmung mit den Anmeldern, geändert werden.

Aus Sicht der HU gehören die verpflichtenden Anmeldergespräche abgeschafft. Freiwillige Ameldergespräche können bei größeren Demonstrationen notwendig sein und sollten sich auf das Nötigste beschränken. Es sollte keine bürokratischen Hürden geben, wie präzise vorgeschriebene Ordnerbinden, und schnell entschieden werden, damit die Anmelder der Demonstration zügig und umfassend mobilisieren können und sich ohne Zeitdruck gegen einen ihnen nicht gefallenden Bescheid wehren können.

Auch bei größeren Demonstration ist der Anmelder heute nicht mehr der Versammlungsleiter, der den Demonstrierenden Befehle erteilen kann. Durch das derzeit gültige Versammlungsgesetz weht hier der Geist der fünfziger Jahre.

In einem zeitgemäßen Versammlungsgesetz müsste die Rolle des Versammlungsleiters modern interpretiert werden als Person, die, wie ein Veranstalter, einen Rahmen bietet, in dem sich andere Menschen äußern können. .

Keine Speicherung von Anmelderdaten

Wie Ende Januar 2014 bekannt wurde, speichert die Polizei die Daten von Anmeldern politischer Demonstrationen drei Jahre in einer zentralen Veranstaltungsdatenbank.

Diese Speicherung ist aus Sicht der HU überflüssig und schreckt möglicherweise von Anmeldungen ab. Die Daten sollten von der Polizei unmittelbar nach dem Ablauf der Demonstration gelöscht werden.

Umgang mit Gegendemonstrationen bei Nazidemonstrationen beibehalten

Hier hat sich in den vergangenen Jahren, bis auf wenige Ausnahmen, die Praxis eingespielt, dass auch die Anmeldungen von rechtsextremen Demonstration veröffentlicht werden und es in räumlicher Nähe zu dieser auch eine Gegendemonstration geben kann. In den letzten Jahren agierte die Polizei bei diesen Demonstrationen weitgehend besonnen.

Aus Sicht der HU sollte diese Praxis beibehalten werden.

Vermummungsverbot abschaffen

Im Rahmen ihres Ermessensspielraum setzt die Polizei bei Demonstrationen das Vermummungsverbot nicht konsequent durch.

Dennoch sollte bei einer Reform des Versammlungsgesetzes das Vermummungsverbot ersatzlos gestrichen werden.

Das Recht auf Anonymität wiegt hier höher als etwaige polizeiliche Wünsche nach einer Strafverfolgung. Vor allem weil inzwischen zunehmend Aufnahmen von Demonstrationen online gestellt werden und die Teilnehmer, je nach dem Anliegen der Demonstration, negative Folgen zu befürchten haben.

Vorfeldkontrollen abschaffen

Bei größeren Demonstration kontrolliert die Polizei oft die Taschen von Teilnehmenden. Begründet wird das mit einer entsprechenden Gefahrenprognose, die – obwohl nicht überprüfbar – sich in den vergangenen Jahren regelmäßig als falsch herausstellte. Fast alle Demonstration verlaufen friedlich. Die HU lehnt die Taschenkontrollen ab, weil sie potentielle Teilnehmer abschrecken können.

Keine Untersagung der Teilnahme

Die Polizei kann Personen, die in verschiedenen Gewalttäter-/Extremismusdateien gespeichert sind, die Teilnahme an einer Demonstration untersagen und auch entsprechende Reiseverbote verhängen. Dabei geraten auch regelmäßig Menschen in diese Dateien, die keine „Gewalttäter“ sind und die auch nicht über einen entsprechenden Eintrag informiert werden.

Die HU lehnt diese Praxis ab.

Außerdem sollten die versammlungsfreundlichen Regeln aus anderen Bundesländern geprüft und übernommen werden.

Stand: Berlin, Juli 2014

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